„Geh, Vater, und bring die Hirse dem Grafen und sag ihm, er möge sie aussäen und mir zuschicken, was er geerntet, damit die Kücken zu fressen haben, wenn sie ausgeschlüpft sind. – Und wenn er spricht: Die Körner sind ja gekocht! so antwort ihm dreist, deine Tochter ließe sagen, mit den Eiern wäre es nicht anders.“
„Ach Gott, Kathrin, was soll das werden!“ sagte der Alte und trug den Beutel auf das Schloß und gab ihn dem Grafen, daß er die Hirse aussäe und die Ernte hinabschicke, damit die Kücken zu fressen hätten, wenn sie ausgebrütet wären.
Der Graf besah die Hirse genau, dann rief er zornig: „Die Körner sind ja gekocht!“
Antwortete der Besenbinder: „Meine Tochter läßt Euer Gnaden sagen, mit den Eiern sei es nicht anders.“
Da erkannte der Graf, daß Kathrinchen wirklich ein kluges Mädchen sei; aber er wollte es noch auf eine zweite Probe ankommen lassen.
„Mein lieber Alter,“ sprach er zu dem Besenbinder, „hier hat er eine Lage Garn. Die bringe er seiner Tochter, daß sie mir davon ein Stück Leinewand webe.“
Der Besenbinder nahm die Lage Garn und trug sie zu seiner Tochter in die Hütte und sagte: „Ach, Kathrin, wie kannst du Gräfin werden? Nun sollst du dem Grafen aus einer Lage Garn ein Stück Leinewand weben!“
„Das wird sich schon machen lassen, aber es gehört Nachdenken dazu,“ sagte Kathrinchen und schloß sich in sein Kämmerlein.
Den andern Tag gab es dem Vater drei Besenreiser und hieß ihn dieselben dem Grafen bringen, daß
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)