Doch der Bauer dachte: „Wenn’s auch deine Söhne sind, lernen müssen sie etwas,“ wischte aus dem Auge eine Thräne und fuhr mit den Ochsen zu Acker.
Als er die erste Furche gezogen hatte und den Pflug umdrehen wollte, sah er am Grenzrain unter dem Baume fünf junge Herren sitzen, die thaten sich gütlich bei Brot, Braten und Wein.
„Heda, Bauer,“ rief einer von ihnen, „will er auch ein Glas Wein mittrinken?“
„Recht gern, liebe Herren,“ antwortete der Bauer, ging hin und trank einen guten Schluck; dann fuhr er fort: „Was habt Ihr denn für ein Handwerk gelernt?“
„Wir sind Studenten,“ sagten die Herren.
„Ach, das ist gewiß ein schönes Leben!“ meinte der Bauer.
„Ja, das ist es,“ sprachen die Studenten, „es ist sogar das schönste Leben!“
„Ich bin wohl schon zu alt dazu?“ fragte der Bauer weiter; und als die Studenten gesagt hatten, mit ihm ginge es nicht mehr, fuhr er fort und sprach: „Was meint Ihr aber, werte Herren, sollten meine beiden angenommenen Söhne das Studieren wohl noch lernen? Von Jochem hält Mutter immer so große Stücke und meint, es sei Sünd’ und Schande, daß er in dem Pflug gehen und den Acker bestellen müsse. Krischan ist nicht so gut geraten.“
Als die Studenten merkten, daß es dem Bauer Ernst sei mit seiner Rede, sprachen sie zu ihm:
„Ei, warum sollte Jochem nicht ein Student werden können, wir sind es ja auch!“
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)