Der Müller aber setzte die Krähe in eine große Tonne, warf Brot und Fleisch hinein und deckte das Faß mit dem Deckel zu; darauf spannte er die Pferde vor den Wagen, um eine Fuhre Mehl von der Mühle zu fahren. Vorher hatte er aber seiner Frau noch eingeschärft, ja gut acht zu geben auf den Zauberer und ihm kein Wasser zu reichen, daß er nicht sterbe.
Gegen Abend kam der Küster, wie er zu thun pflegte, um bei der Müllerin zu Nacht zu essen.
„Pst! heute geht’s nicht,“ sprach die Frau, „mein Mann hat für dreihundert Thaler einen Wahrsager gekauft, der sitzt in der Tonne! Gestern hat er gesagt, das Haus sei mit dem Teufel besetzt; auch hat er angegeben, wo ich den Braten und den Wein, das Brot und den Käse versteckt habe.“
„Können wir ihn denn nicht über die Seite bringen?“ fragte der Küster, dem es leid that, daß er um das schöne Abendbrot kommen sollte.
„Ei, das ginge wohl,“ antwortete die Müllerin, „wir brauchen dem Zauberer nur ein paar Tropfen Wasser in den Rachen zu gießen, so muß er des Todes sterben.“
„Das ist bald gemacht,“ meinte der Küster; und während die Müllerin den Deckel empor hob und das Licht hielt, nahm er die Wasserkanne und ließ der Krähe ein paar Tropfen in den aufgesperrten Rachen fallen.
Die Krähe war vor Durst schier verschmachtet; und weil sie an den paar Tropfen nicht genug hatte, fuhr sie auf und dem Küster gerade in das Gesicht und
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)