nieder. Das Tier jammerte ihn, und er wickelte es in die Kuhhaut, daß es wieder auflebe.
Mittlerweile war es dunkel geworden; und weil er vor Nacht die Stadt nicht mehr zu erreichen vermochte, sprach er in einer Wassermühle vor und bat um ein Nachtlager. Der Müller war nicht zu Hause, und die Müllerin sagte:
„Pack dich, für hergelaufenes Gesindel ist kein Raum in der Stube!“
Der Kuhhirt that auch, als ginge er seiner Wege; als aber die Frau in der Küche zu schaffen hatte, huschte er geschwind zur Thüre hinein; und eins fix drei war er hinter den Ofen gekrochen und streckte die Glieder und wärmte sich. Und als die Frau wieder herein kam, verhielt er sich ganz ruhig, daß sie seiner nicht gewahr wurde.
Als es Zeit zum Abendbrot war, kamen Knecht und Magd und der Mahlbursch und setzten sich an den Tisch. Da gab’s viele Kartoffeln und einen großen Topf mit Wasser; aber nur ein einziger Hering lag auf der Schüssel.
„Ist’s die Möglichkeit!“ sprach der Hirt in seinem Innern. „Die große Mühle und die schlechte Mahlzeit! Aber die Gegend mag arm sein, und die Leute können nicht mehr daran wenden.“
Des Müllers Gesinde mußte es auch wirklich nicht besser gewohnt sein; denn sie aßen ohne Murren, was auf dem Tische stand, und gingen hin und legten sich schlafen.
Kaum waren sie fort, so pochte es leise an den Fensterladen, und die Frau ging hinaus; und siehe da, sie führte den Küster bei der Hand zur Stube herein
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)