zu werden, so muß ich des bittern Todes für den Menschen sterben, daß ich ihn durch die Gnade zur Erkenntniß der wahren Weisheit wiederbringe. Und Das muß durch meinen Tod geschehen.“
Da nun Maria diese Worte vernahm, da hub sie zum andern Mal ihren Sohn zu bitten an und sprach:
„Mein lieber Sohn, ich höre, daß du ja leiden willst, so bitte ich nun, daß du dir ein Leiden auswählest, das linder und geringer sei. Und fragst du mich, wie das sein möge, so sprech’ ich, daß es genug sei an einem Blutstropfen zu der Welt-Erlösung. Darum, mein Herr, gib dich nicht so mannigfaltigem Leiden unterthan, denn ein Tropfen deines Blutes in väterlicher Gegenwärtigkeit stillet den Zorn Gottes ewiglich.“
Der Herr sprach: „Meine süße Mutter! dein Begehren wollte ich gerne erfüllen, aber ob das nicht widerspreche der Wahrheit, die der heilige Geist durch den Propheten geoffenbart hat, da er spricht: „Man hat mir all’ mein Gebein gezählt.“ Nun muß ein jegliches Bein in meinem Leichnam seinen besonderen Schlag haben. Das mag nicht geschehen mit einem einzigen Blutstropfen. Es muß wahr an mir werden, was in der Figur geschrieben ist: Alle Brunnen werden aufgethan und allem Volk des Himmels zufließen.“
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)