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Seite:Hermann von Bezzel - Warum bleiben wir bei unserer Kirche.pdf/19

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 Die Kirche, die in Wort und Sakrament sich erhält, ist dem Herrnbefehl und den in ihm gegebenen Gnaden treu. An ihr halten wir um Christi willen, den wir nicht meistern noch ergänzen noch verbessern können, treulich fest. Die Sicherheit des Glaubensstandes ruht nur auf seiner Tat, nicht auf unserer Lebensregung. Wir wissen uns nie in uns geborgen noch bei uns befriedigt, da „wir täglich viel sündigen und wohl eitel Strafe verdienen“, sondern bei dem, der, für uns zur Sünde gemacht, uns aus lauter Güte zu sich ziehen will. Wer auf der Gnade einschlafen wollte, wie Moab auf seiner Hefen, dem wird es nicht gelingen. Wer aber ihrem Leben froh sein Dasein befiehlt, wird zum Frieden kommen. Ich fürchte den neuen Christus, den erst unsere Liebesglut recht darstellen und lebensvoll machen müßte, die neuen Gnadenmittel, die nicht allen Mühseligen und Beladenen, sondern nur etlichen „Gläubigen“ zu teil werden. Luther hat in seiner vor dreihundertachtzig Jahren geschriebenen Schrift „Wider die himmlischen Propheten“ solcher Angst ernste Worte geliehen.


8.

 Endlich aber bleibe ich bei meiner Kirche und bei ihrer gesunden Lehre um meinetwillen. Daß uns „der unstallige Esel immer am Halse hängt“, bekennen wir mit Schmerzen und meinen, vor der neuen Sicherheitsbewegung, deren sittliche Vollkommenheit wir nie erreichen werden, aber auch nicht erreichen wollen, mit Schanden zu bestehen. Daß Paulus den Buß- und Weheruf, Röm. 7, 24, vor seiner Bekehrung gemeint habe oder daß in diesem Kapitel der Apostel gar nicht von sich rede, was freilich auch Kalvin behauptet, will mir ebensowenig einleuchten als die wunderliche Erklärung von 1. Tim. 1, 15: „unter welchen ich der vornehmste bin“, gleich: „war“. Denn jetzt sei der Apostel nimmermehr Sünder, geschweige denn der vornehmste. Auf der vorletzten Tagung in Schönebeck bei Halle hat Pastor Paul aus Steglitz sich rühmen dürfen, daß ihm sein alter Adam unbekannt sei. Er sehe, wenn er an einem unreinen Bilde vorbeigehe, ruhig hin, weil sein Geist keine unsittliche Regung mehr verspüren könne. Man spricht von „Karfreitags“- und „Osterchristen“ als von unfertigen Leuten, denen die „Pfingstchristen“ gegenüberstehen. Kühnlich wird aus Jes. 45, 24: „Im Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke“ gefolgert, daß an einem Bekehrten nichts mehr auszusetzen sei. Was vor neunzig Jahren der Württemberger

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/19&oldid=- (Version vom 10.9.2016)