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Seite:Hermann von Bezzel - Warum bleiben wir bei unserer Kirche.pdf/16

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zu sprechen.“ Noch schlimmer, wenn das „mir ist so“, ohne auch nur von einem Versuche biblischer Begründung begleitet zu sein, in Sturm und Übertäubung einhergeht. Nach der Lehre unserer Kirche bezeugt das ganze, auch mir in entscheidendsten Augenblicken zugewandte Wort, daß ich Gottes Kind bin. Zu höherem Troste spricht es so oft in der Einzahl, damit der, Feind nicht meiner Seele hinter der Masse die Erquickung entziehen noch mich bereden kann, ich sei nicht gemeint. Dazu ist dieses Wort mit der Geschichte von Tausenden verbunden und in sie befaßt. Es festzuhalten, bedarf es nicht der Erregung, deren größerer oder geringerer Grad die Tiefe oder Höhe des Glaubenslebens bezeichnen soll. Was der eine Moment schenkt, nimmt der andere, und wo Erregung Ruhe schaffen soll, da ist Täuschung. Wir haben, halten das feste prophetische Wort, damit es uns halte. Es trägt uns, hebt und errettet. Dem „es steht geschrieben“ kann kein größerer Trost zur Seite gestellt werden. Aber eben geschrieben in seiner ganzen Fülle, Treue und Herrlichkeit!

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 Dieses Wort auszuteilen und zu deuten, nicht wie wirs wünschen, sondern wie Er es meint, ist das Predigtamt geordnet. Die moderne Evangelisationsbewegung weiß sich aller Welt verpflichtet. Das wäre etwas Großes, wenn die Ordnung dabei innegehalten werden wollte. Aber auf fremdem Grunde bauen ist nicht Christi Art, der erst auftrat, als der Täufer schwieg, noch seiner Apostel Weise, die nur dahin gingen, wo noch niemand vorher gepredigt hatte, damit nicht in ein fremdes Amt gegriffen würde. Der im Geiste brennende und vorwärts drängende Paulus weiß für seinen Missionseifer nur eine Grenze: die Arbeit des Bruders. Die Zwietracht in die Gemeinde hineintragen und die Etikette „Gläubig“ und „Ungläubig“ hineinwerfen, je nachdem sich der einzelne dem Einflusse des „Evangelisten“ erschließt oder entzieht, ist nicht christlich. Wir fürchten die tote Orthodoxie, welche in Formeln und deren Betonung das Heil der Seelen und die Arbeit für sie erschöpft glaubt oder in der Predigt, die ihre Stimme nicht wandeln kann, die ganze Treue erblickt. Aber uns bangt noch mehr vor der alleinseligmachenden Methode. Wenn sie verknöchert, sollte dann der geistliche Tod geringer sein? Ich achte, er werde noch schwerer empfunden werden. In Bewährung der geschichtlich gewordenen geheiligten Ordnung liegt immer wieder die Korrektur. Der Geist, der sie gegeben hat, vertieft und belebt sie auch wieder. Was aber Erregung geschaffen hat, in der Willkür zum Gesetz erhoben wird, kann

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/16&oldid=- (Version vom 10.9.2016)