Doch kennen und teilen wir die Bedenken eines Sorgenvollen wider modern christliches Wesen, da immer größere, prunkhaftere Werke ins Leben treten und die kleinen Pflichten in ihrer Bedeutung unterschätzt werden. Die innere Mission hätte ihre Kraft verloren, die nicht aus der Zeit ihre Ausgabe nähme, sondern sie sich konstruierte. Sie hat nur nicht das Recht, zu verkennen, was geschehen soll, und so sehr sie es bedauern mag, eben nur von ihr geschehen kann.
So meint die Mission nicht in jedem Dorfe Kleinkinderschulen gründen zu müssen, damit in der großen Statistik, die mehr täuscht und beruhigt, als stärkt und tröstet, eine neue Zahl eingefügt werde. Aber wo sie nach genauer Prüfung der Dinge, welche das geistliche Amt und die Gemeinde ihr ermöglichen, zur Erkenntnis von der Notwendigkeit gekommen ist, da greife sie zu und gebe Rat und Aufschluß, tue Handreichung und stelle sich in den Dienst. Es finden sich oft Kräfte mitten in der Gemeinde, die nur der Anregung bedürfen, um ihre Tätigkeit zu beginnen. Denn ehe die Nächststehenden nicht zu ihrem Recht gekommen sind, sollen Fernstehende nicht eintreten.
Wichtiger noch sind für unsere Fabrikstädte die Kinderhorte, in denen die schulfreie Zeit zugebracht werden kann. Auch hier wird das Recht aus Einfachheit und Gründlichkeit Arbeitsteilung erfordern. Wenn in größeren Städten da und dort solche Horte erstehen, so ist das mehr wert, als wenn ein großer gegründet wird, der vielleicht Mengen faßen könnte, die doch nicht kommen. Wer recht dienen will, läßt sich vom Bedürfnis bestimmen, das nicht von uns bestimmt werden kann.
Die Schulgärten mit der Freude am Eigenbesitz und der noch größeren an den Geheimnissen der Natur, die dem Stadtkind so leicht und lange verborgen bleiben, sind hoch zu begrüßen. Wenn solch ein Gedanke Wurzel schlägt, da hat, auch wenn, ja weil er neu ist, die innere Mission das Recht, ihn zu fördern. Man muß ihr dann trauen, auch wenn sie neue Wege betritt. Denn auf großes reiches Vertrauen, das nicht marktet und feilscht und statt der Kräfte Kritik darbietet, hat eine Arbeit Anspruch, die so viel geleistet hat und noch mehr hat leisten wollen, während sie unter dem Mißtrauen krankt und das Vertrauen zu sich selbst verliert.
Es sind neue Gedanken da und dort erwacht, wie man der heranwachsenden Jugend diensam sich annehmen könne; da muß es das gute Recht sein, sie auf ihre Bedeutung zu prüfen und zu verwerten, wenn sie gut sind. Denn mit neuen Zeiten erwachen andere Bedürfnisse.
Anderseits muß es der Innern Mission überlassen bleiben, auf alte Einrichtungen zurückzugreifen und bei ihnen zu beharren. denn es ist Gefahr, daß manche bewährte und viel bedankte Arbeit hinter der neuen zurücktreten muß, sich zum Schaden und dieser nicht zum Gewinn. Es sei an
Hermann von Bezzel: Pflicht und Recht der Inneren Mission. Paul Müller, München 1915, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflicht_und_Recht_der_Inneren_Mission.pdf/22&oldid=- (Version vom 9.9.2016)