fest zusammenschließt. Das ist nicht kränkelnde Philosophie, das ist höchste Aktion des Willens.
Und neben dem Atheismus der Manichäer der Rationalismus des Pelagius. Der sittenstrenge Mönch, der über das Meer – und daher hat er seinen Namen Pelagius, der monachus transmarinus – von der grünen Insel gen Afrika gezogen, verkündigt, daß wir aus eigner Kraft Gutes mögen gestalten und daß das Böse nicht die lähmende Gewalt über uns haben dürfe. Aber diese Anschauung vernichtet das große Erneuerungswerk Jesu Christi, der als rechter Weinstock alle Reben mit seinem Geist erst erfüllen muß, wenn sie Frucht bringen sollen: „Ohne mich könnet ihr nichts tun.“ Da hat Augustin das feine Wort dazu geschrieben: hic respondet dominus noster futuro Pelagio – „mit diesem Wort hat der Heiland den zukünftigen Pelagius ins Angesicht getroffen.“ Wenn jetzt von der Herrlichkeit natürlicher Impulse, von der Schönheit natürlichen ungeheiligten Wesens so viel die Rede ist, wenn in unsern Tagen immer wieder von der ursprünglichen Herrlichkeit der Natur geschwärmt wird, und die Rückkehr zur Natur als das eigentliche Lebensgeheimnis empfohlen wird, so sagt uns Luther: Alle Freiheit von Jesus und alle Arbeit ohne ihn erreicht nichts. Augustin hat wohl den Pelagius getroffen, aber er hat nebenbei eine Lehre eingeführt, so schaurig, so furchtbar, daß in ihren Schrecken die Seelen erstarren und in ihrer Not manch einer sich den Tod gewünscht und geholt hat; die schaurige Lehre, die nur aus einem kalt abwägenden Verstand, nicht aber aus einer glaubens- und liebewarmen Seele entstammen kann, daß Gott in stillem Lächeln der Selbstgenüge den großen Teil der Menschen zur Weltverlorenheit bestimmt habe, während
Hermann von Bezzel: Luther und Augustin. Verlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1912, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Luther_und_Augustin.pdf/20&oldid=- (Version vom 9.10.2016)