das Banausentum der Fertigkeit als der Ihre und der meine. Verrichter unter den Schwestern, Verrichter unter den Geistlichen sind beide etwas gleich Schreckhaftes. Es muß, gerade weil bei diesem Erdenberuf die irdische Seite mehr zurücktritt, der intensive Verkehr im Heiligtum ein rechter werden, ich möchte sagen, recht zur Erdenpflicht werden, ein besonderer Glanz auf dem Angesicht ruhen, und der besondere Glanz heißt Berufsfreude. Berufsfreude allein gewinnt, daß der Tag zu kurz ist, an dem man sein Glück aussagt, und man im voraus schon Anleihen an die Ewigkeit macht, um in ihr erst recht zu bekennen, wie groß das Glück war und daß der Berufsort, an den uns Gott gestellt, darum so leuchtend ist, weil der Herr an diesem Ort heimliche Worte und freundliche Worte und leutselige Rede zu einem armen Menschen gewendet hat, der Staub und Asche ist. Begeisterungslose Theologen, begeisterungslose Diakonissen sind wie zwei Brandfackeln, mit denen der Herr selbst das Gebäude der Kirche in Feuer steckt. Wenn das einmal eintreten würde und wird, daß allerlei verderbte, verkümmerte Existenzen in die letzte Zuflucht, das geistliche Amt, in die letzte Zuflucht, die Diakonie eilen, dann mögen diejenigen recht behalten, die sagen, die Diakonissenhäuser gleichen Leichenkammern und die berufsmäßige Amtsführung sei der Tod. Aber wie erhält man sich denn die Berufsfreudigkeit? Der alte Satz für alle diese Fragen lautet: Freudigkeit erhält man nur, wenn man immer wieder zu den Quellen zurückgeht. An den Quellen lebt die Reinheit, die Freiheit und die Freude. Tun wir das! Tauchen wir täglich ein in die heimlichen Gründe Seines Wortes mit der Begeisterung des ersten Arbeitstages: Hier bin ich, sende mich; tun wir das, auch in den schwersten Tagen, daß wir ein unscheinbares Blatt Papier hervorholen, auf dem uns bezeugt ist – der Mensch liebt etwas Geschriebenes – daß man zum Amt verordnet und befohlen sei, so wird es wieder leichter und lichter. Wenn Sie – und das ist die Bedeutung der Einsegnung in die Stunden sich betend versetzen, da Ihnen das Amt des Wortes Segensgruß und Friedenswunsch von Ihrem Erbarmer gab und zusprach, wenn Sie so in den Friedenswunsch des Herrn Jesu einkehren, dann geht es wieder zur Freude. Es ist ja kein vergebliches Wort, das Er spricht, wenn er sagt: Frieden lasse ich euch, Meinen Frieden gebe ich euch. Er spricht überhaupt kein vergebliches Wort, sondern dieses Wort wird euer Leben verlängern, an welchen Ort ihr ziehet. Nicht wahr, das übernehmen auch die 35 Schwestern, daß sie einander die Freudigkeit zubeten und zusagen und erwecken. Es muß eine innerliche Zusammenhängigkeit hergestellt werden durch das gemeinsame
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)