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Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungs-Unterricht 1909.pdf/13

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wenn mich wie ein betäubender Schwindel die Angst ergreift: ich sei vielleicht hereingeschleudert in dieses Leben; niemand hat sich um mich angenommen, sondern ich sei eben da eingeschlichen als einer, der es nicht wollte. Wenn ich mich in der geradezu verwirrenden Furcht befinde, ich wäre an eine Türe gelegt gewesen und sie ging auf und ich war in einem bevölkerten Saal, in den ich weder wollte, noch gehörte, und nun soll ich mich in diesem Saal bewegen und tun, als ob ich in diesem Saal ein Bürger dieses Hauses wäre, so tröstet mich doch das Wort: ich bin eigens gerufen; jetzt weiß ich, der Vorwurf, daß ich hereindrang, kann mir nicht gemacht werden. Jetzt weiß ich wenigstens, daß der Herr mein Gott, an mich denkt und mich segnet; ich kann in dieser Zuversicht nicht verloren gehen. Das Wort, das Leopold von Ranke sagt: „Du hast mich aus dem Nichts gerufen, hier liege ich vor Deines Thrones Stufen“ ist eine solche Glaubenskraft. Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkst etc. Ps. 8. Und nun halten wir uns an den, den wir nie gesehen haben, dessen Wirkung wir in uns spüren, und nun wenden wir uns an ihn, den Treuen, von dem wir nie etwas gewußt haben, der aber bleibt, und sagen: Du hast mich gerufen; hier bin ich, rede mit mir und tue an mir, was Dir gefällt. Ich meine, wenn wir das eine Wort: ich bin gerufen recht auffassen würden, so würde Majestät, Königsart und Königssinn auf unsrer Stirne leuchten und all die Hindernisse wären dazu da, um mich meines Berufes gewisser und seiner froher zu machen, und alles, was an Schwierigkeiten mein Lebensweg aufweist, wäre da, um ihn zu erhellen. Reden wir, wenn uns alles entsinken will, nie zuerst im 2. Glaubensartikel, sondern beginnen wir mit den Elementen des 1., damit wir von Stufe zu Stufe bis zur Herrlichkeit schreiten dürfen. Beten Sie, wenn Not und Angst über Sie kommt und, wie ein vom Baum gelöstes Blatt Ihre Seele von den Stürmen hin und her getrieben wird; kehren Sie bei dem Felsgrund ein, bauen Sie Ihr armes Leben auf die Tatsache auf: Ich bin ja nicht von mir selber gestrandet in dieses Leben, Er hat mich berufen, vor der ganzen Welt hat Er gesagt, daß Er mich haben wollte. Der ganzen Welt zeigt er, daß Er mein gedenken muß; und so geht durch die Seele der große Trost, den ein Armer braucht, wenn er sich nicht selbst so überaus überflüssig und sein Leben verloren und verkehrt ansehen will: ich bin ja berufen. So sagen wir uns in den schweren Stunden des Lebens, da alles von uns abgleitet, kein Trost mehr verfängt; sagen wir uns die einfache Tatsache, die der Feind nicht widerlegen, die der Arme nicht austilgen, die kein Zweifel wegtun kann: mich hat Gott hereingerufen: