immer wieder erfahren, daß Gott sich seine Leute da holt, wo sie am allerwenigsten gefunden werden und daß Er in Seiner unergründlichen Barmherzigkeit das, was töricht ist vor der Welt, von der Welt erhebt. Ueber die nun vergangenen 18 Jahre zu reden, steht mir nicht zu. Das Urteil steht beim Herrn und bei den Seinen. Aber vielleicht darf ich auf eines hinweisen, was der Herr, so weit ich sehe, hat ein wenig gelingen lassen. Ich darf vielleicht sagen, es ist mir beschieden gewesen, Neuendettelsau und die Landeskirche, zu der es gehört und aus der es herausgeboren ist, von der es seine Gaben und Kräfte empfängt, einander wieder zu nähern. Ich hätte es für eine Unnatur empfunden, wenn das gegenseitige Mißtrauen weiter gewährt hätte, und habe durch das Wenige, was ich konnte, immer wieder meiner Landeskirche zu dienen gesucht. Dafür danke ich Gott und Menschen, daß sie diesem werbenden Zug, der sich an das Herz und die Liebe der Landeskirche wandte, entgegen gekommen sind. Ich bin selbst eines Landpfarrers Sohn, habe die Not des Landpfarrhauses überreichlich kennen gelernt und habe in einer harten Schule das eine erfahren, wenn ein unvermuteter Sonnenblick in ein oft so verdüstertes Landpfarrhaus fällt, so ist das in der Ereignislosigkeit des Landlebens ein rechter Freudentag. Ich habe es oft erfahren, wie der Mann, dem ich das Allerbeste auf Erden danke, das Gebot der Pflicht und den Ernst des Verzichtes, wie mein Vater froh werden konnte, wenn man ihm freundlich entgegen kam. Und da hat es unter uns oft gemangelt; wir haben unsern Pfarrern nicht oft genug Freundlichkeiten erwiesen, wir haben vergessen, was in der Einsamkeit des Weltlebens draußen, in dem armen abgeschlossenen Dorf ein gutes Wort, ein froher Blick Großes ist. Ich habe immer versucht, bei allen möglichen und wirklichen Anliegen mit meinen Amtsbrüdern freundlich zu reden und mir immer wieder die Geduld erbeten, auf die Weitschweifigkeit, mit der sie, was mir sehr unwichtig erschien, überaus betonten, um der verkürzten Verhältnisse willen recht einzugehen. Ich möchte so sehr wünschen, daß Neuendettelsau immer mehr den Ruhm der Chrestotes behielte, das meint der Apostel, wenn er von seinem Heiland redet, der sich allenthalben hat brauchen, rufen, begehren, verwenden lassen und ist nicht müde darüber geworden. Wenn jetzt Neuendettelsau von berufener Seite das Kleinod der Landeskirche geheißen ward, so ist das daraus mit entstanden, daß man mit der Landeskirche litt und trug und arbeitete. Es wird da viel, viel ausgesetzt werden können, die große Milde, mit der auf Ansprüche eingegangen wurde, konnte leicht Schwachheit werden, die Noblesse, mit der man einzelnen Forderungen
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)