saß ich mitten unter ihnen, soff unzählige Maß Bier, rauchte unter furchtbaren Qualen wacker den landesüblichen Tabak, aß allabendlich, meine Abneigung überwindend, heroisch das Nationalgericht der Bullenbacher: rohes Schweinegehacktes mit Pfeffer und Zwiebeln verwürzt, suchte stets in allen Dingen der Meinung dieser herrlich unzivilisierten Dörfler zu sein und wieherte jedem kräftigen Scherzwort zu, ob es mich auch selbst traf.
Obgleich mir jedes Kartenspiel entsetzlich verhaßt war und ich diese Beschäftigung, mit Schopenhauer, für den Bankerott aller Gedanken hielt, begeisterte ich mich für den Skat und das Sechsundsechzig der Bullenbacher und saß jeden Abend bis spät in die Nacht und schlug die fettigen Karten mit der meinen Partnern abgelauschten Kraftgeste auf den Tisch. Ich mühte mich nach Möglichkeit, nicht zu gewinnen, um diese leicht erregbaren Primitiven nicht unnötig zu verstimmen. Als ich nun eines Abends dennoch und sogar fünfmal hintereinander gewann, wallten die Leidenschaften auf, der furor teutonicus erwachte jäh, und man hatte mir, ehe ich mich dessen versah, einen Maßkrug um den Kopf geschlagen, mich vor den Bauch getreten und mich endlich durch die Füllung der Tür hinausgeschmettert.
Hochachtung vor dieser aus einem ehrlichen, ursprünglichen Empfinden für Recht und Unrecht und einem ungezügelten Temperament erwachsenen animalischen Kraft!
Mit dick verbundenem Kopf habe ich vierzehn Tage auf meinem Zimmer gesessen. O, die Verwirklichung des Rousseauschen Ideals war nicht so einfach. Ich entschloß mich, schlicht barfuß zu gehen wie alle Welt in Bullenbach.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/212&oldid=- (Version vom 1.8.2018)