sogar, in einer bayerischen Stadt, zusammengeschlossen mit einem übelberüchtigten Frauenzimmer, bei hellem Tage einen ziemlich weiten Weg zur Bahn, kam der Aermste mehr tot als lebendig hier an.
Zum Glück für ihn bekam er die Zelle neben dem Kemütlichen und jeder der beiden hatte einen alten gerissenen Kunden als Zimmergenossen. Das war das Glück für unseren armen W.
Begünstigt durch die Einrichtung des Gefängnisses, die Abortkanäle standen miteinander in Verbindung und man konnte, wenn man den Kopf in den Abort steckte, mit dem Zellennachbar, der ein gleiches tun mußte, sprechen. Besonders appetitlich und für das Riechorgan angenehm war diese Art Verkehr allerdings nicht, aber Not bricht Eisen und die Not war in diesem Fall nicht klein. Die Beiden wurden von ihren Zimmergenossen auf diesen möglichen Verkehr hingewiesen, benutzten denselben und verkehrten telephonisch, ehe das Telephon erfunden war.
Infolge dieses Verkehrs widerrief der Kemütliche alle seine erstgemachten Angaben und bezeichnete sie als in der Verwirrung gemachte Unrichtigkeiten. Das neue Wintermärchen habe er von einem Unbekannten gekauft, der Name W’s. sei ihm nur deshalb im Verhör gekommen, weil er mit demselben über dieses Werkchen gesprochen hatte. W. selbst bestritt natürlich ganz entschieden, dem Kemütlichen das Büchlein gegeben zu haben. Der Anklage gegen W. war dadurch der Boden entzogen und er mußte entlassen und außer Verfolgung gesetzt werden.
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)