ausgeschrieben und nun verlangte unser Isak nicht mehr und nicht weniger, als daß wir in dieser gemischten Gesellschaft, an diesem geheiligten Ort, die Fahne des Sozialismus aufpflanzen. Nach lebhafter Debatte wurde der Vorschlag auch angenommen und wir Sozialdemokraten zogen an dem betreffenden Abend zum ersten und wohl auch letzten mal ins evangelische Vereinshaus mit scharf geschliffenen Waffen, um Novak zu bekämpfen. Angesichts der wenigen alten Weiber in Männerkleidung und der vielen alten und jungen Betschwestern unterblieb aber der Kampf und auch Isak war zufrieden. Daß wir die Wahlzeiten zur Ausbreitung unserer Ideen als besonders geeignet betrachteten, ist selbstverständlich.
Die nächste Reichstagswahl 1877 fand uns auf dem Plan, als Zählkandidat wurde Genosse Bebel[ws 1] aufgestellt, der es denn auch auf sage und schreibe 183 Stimmen brachte, notabene im ganzen Wahlkreis, was allerdings herzlich wenig, angesichts der Konstellation des Kreises, in dem Deutsche Partei und Volkspartei um das Mandat rangen, ein Erfolg war, mit dem wir zufrieden sein konnten und waren. Die Volkspartei kämpfte mit einem auch in Arbeiterkreisen sehr beliebten und geachteten Kandidaten, der zudem das Landtagsmandat des Oberamts besaß,[ws 2] zum ersten mal ernstlich um das Reichstagsmandat des Kreises. Die Arbeiter, soweit sie sich politisch betätigten, lagen bisher im Schlepptau der Volkspartei, die politische Schulung war noch nicht soweit fortgeschritten, daß sie sich sagten, in der ersten Wahl unter allen Umständen den sozialdemokratischen Kandidaten und es wurde
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ August Bebel (1840–1913)
- ↑ Kittler meint vermutlich Georg Härle, der allerdings erst 1878 für Heilbronn in den Reichstag gewählt wurde, wie beschrieben in der Stichwahl (am 16. August 1878) gegen den nationalliberalen Kandidaten Egelhaaf. 1877 gewann hingegen der nationalliberale Kandidat Gottlieb von Huber den Wahlkreis.
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)