Zum Inhalt springen

Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/124

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Leben zu führen. Ihre Erwartungen und Wünsche gingen nur zu bald in Erfüllung. Wer Abenteuer schlechtweg suchte, dem war in der Riesenanhäufung von Millionen jugendstarker und leichtlebiger Männer gar bald geholfen. Geld spielte ja keine Rolle, — man gab es mit vollen Händen aus, denn die einen wußten ja nicht, ob sie sich morgen des Lebens noch erfreuen würden, es hieß daher: carpe diem, während die anderen so enorm viel verdienten, daß einige Tausender, die man für eine vergnügte Episode hingab, durchaus nicht weiter in Betracht kamen, sie gehörten sozusagen zu den unvermeidlichen Spesen des Lagerlebens.

Hier sahen nun die Stubenmädel, Modistinnen und alle die berufslosen, lebenshungrigen jungen Weiber, die aus den großen Städten hinausgezogen waren in den Krieg, ihren Weizen blühen und genierten sich nicht: sie griffen mit beiden Händen zu und nahmen alles mit, was der überreich gedeckte Tisch bieten mochte.

Diese abenteuernden Sestrizi, die man bei einigem guten Willen und entsprechender Auswahl der Kandidatinnen wohl von der Armee hätte fernhalten können, haben sich insofern als ungemein schädlich erwiesen, als sie den Ruf der Schwesternschaft bald völlig untergruben und die anständigen Schwestern zwangen, ihren Beruf zum Schaden des Heeres aufzugeben. Die Führung der Schwestern gestaltete sich allmählich in der Weise, daß fortan verschiedene Vorschriften über Kleidung, Besuch von Lokalen usw. erlassen werden mußten, ohne daß jedoch auf diese Art Wandel geschaffen werden konnte, denn gerade die Schwestern, die die meisten Anlässe zu berechtigten Klagen lieferten, erfreuten sich mächtigen Schutzes, der oft so stark war, daß die Ärzte sich alle Launen und Übergriffe der Weiblein gefallen lassen mußten, wenn sie nicht ihre Stellungen riskieren wollten.

Unter diesen Umständen war es gewiß nicht verwunderlich,

Empfohlene Zitierweise:
Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)