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Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/122

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Ganz zuerst verschwanden von der Bildfläche die hocharistokratischen Sestrizi, die bei Beginn des Krieges aus eigenen Mitteln ganze Sanitätszüge formierten und mit ihnen in die weite Welt und in die Freiheit hinauszogen. Was sich in diesen Sanitätszügen mit der mondänen Schwesternschaft und den jungen, zumeist bildhübschen Ärzten alles zugetragen hat, das hat die Petersburger chronique scandaleuse sorgfältig registriert, es hätte daher keinen Zweck, sich in diese allzu menschlichen Dokumente zu vertiefen. Tatsache ist, daß diese Züge, die mit außerordentlichem Komfort, guten Weinen, viel Konfitüren, Blumen und Musikinstrumenten ausgestattet waren, über kurz oder lang in andere Hände übergingen, nachdem die den Zügen attachierten Berufsschwestern, die die ganze Arbeitslast zu tragen gehabt, das Weite gesucht hatten. Die mondänen Schwestern hatten die Verwundeten mit Konfekt gestopft, sie mit Blumen versehen und ihnen futuristische Dichtungen vorgelesen, — soweit sie nicht von ihrer Toilette, Picknicks mit dem Ärztepersonal, musikalischen Unterhaltungen und ähnlichen Dingen in Anspruch genommen waren.

Zu dieser Kategorie gehörten auch die unzähligen Töchter und Gattinnen von höheren Offizieren und Administrationsbeamten, die die Schwesterntracht anlegten, um ihren Angehörigen ins Feld folgen zu können und sich von der Provinzpresse wegen ihres Heroismus gebührend feiern ließen, wobei gewöhnlich der örtliche Polizeimeister den Ton angab und etwaigen begriffsstutzigen Redakteuren die Flötentöne beibrachte. Diese Damen begaben sich dann und wann in Begleitung junger und eleganter Beamten zu besonderen Aufträgen oder der väterlichen und eheherrlichen Adjutanten an die Front, wo sie in sicherer Deckung dem einen oder dem anderen Vaterlandsverteidiger einen Verband anlegten und dafür nach erfolgtem Rapport des diplomatisch begabten und auf sein Fortkommen bedachten Oberarztes mit der Georgsmedaille ausgezeichnet wurden,

Empfohlene Zitierweise:
Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/122&oldid=- (Version vom 1.8.2018)