nicht Lust mitzugehn, der ältere bittet, er will nicht; endlich und mit vieler Mühe beredet er ihn doch dazu. Sie gehen. Plötzlich bricht unter dem jüngern das Eis, und unrettbar verschlingt ihn die Fluth. Der ältere, unser Zeichner, ist untröstlich, er will seinem Bruder nach, man hält ihn zurück. Eine leise Schwermuth zieht sich seitdem über sein ganzes Leben; seine Kunst richtet sich nur auf Gegenstände der Trauer, und in allen Formen malt er Begräbnißscenen, sich selbst, seinen Bruder, zurückkehrend in die Wohnungen des Friedens gedacht.
M. In der That rührend.
F. Und das Gerücht ist nicht unwahrscheinlich; wenigstens scheint es die diesjährige Ausstellung von ihm zu bestätigen. Dort hängen noch zwei Zeichnungen von ihm. Eine Winter-Landschaft. Vortrefflich ist das an und für sich etwas Frostige getuschter Zeichnungen benutzt; man friert wenn man diese beschneyte Gegend ansieht. Aber in dieser Landschaft wieder als Staffage, ein Leichenzug der aus einem Dorfe in das andre zieht. Dort eine andre Gegend mit Felsen-Gruppen, einen Sonnenaufgang nicht weniger brav, die Beleuchtung vortrefflich, und wieder ein altkatholischer Leichenzug, der mit den gewöhnlichen Fähnchen u. s. w. nach einer Capelle wallt.
M. Was hängen um dies einfache Begräbniß herum für eine Menge bunte Bilder?
F. Sie sind von den Schülern des Professor Schenau, in der beliebten Manier ihres Meisters, doch sind sie wirklich noch erträglicher als die seinen, weil die Schüler glücklicherweise noch nicht ganz begriffen zu haben scheinen, wie man das Grün und Rosa und Blau, auf Fleischpartien anwenden könne. Die Trictracspieler nach einem niederländischen Meister, von Fischer aus dieser Schule, sind nicht übel, und so auch eine Landschaft nach Ruisdal von Held.
M. Desto bunter ist diese Cornelia von Olbrich.
F. Wollen Sie Ihre Augen dafür entschädigen?
M. Nicht mehr als gern.
F. Aber hüten Sie Sich; denn fast alle Mädchen. die es nicht gestanden, und Weiber meiner Bekanntschaft, die es gestanden, haben ihr Herz dabei verloren, und den respektiven Liebhaber- und Ehemännern dann zu Haus gewaltig viel zu thun gemacht, um diesen Eindruck wieder zu verdrängen, und ihre Gestalt wieder an die Stelle zu bringen, die dies Gemälde eingenommen hatte.
M. Sie machen mich neugierig; fürchten Sie aber nichts; Sie wissen daß ich versagt bin.
F. Ich weiß blos, was Sie mir versagt haben. – Doch hier ist das Gemälde. Ein Johannes; eigne Erfindung von M. Rezsch, Schüler des Prof. Grassi.
M. Ein herrlicher Kopf!
F. Fängt das Herz an unruhig zu werden?
M. Das ist nicht die Empfindung die er einflößt. Die Heiterkeit dieser Wangen, die stille Ruhe dieses Auges, die Unschuld dieser Umrisse, und der liebliche Ernst der auf der Stirn wohnt, machen diesen Johannes zu meinem Freunde, nicht zu meinem Geliebten.
F. Bemerken Sie, daß der Maler von der gewöhnlichen Idee abgegangen ist. Meist wählt man den weichen, frommen Johannes blond, hier ist er mit schwarzem Haar und braunem Teint dargestellt. –
M. Und nicht zum Nachtheil der Idee selbst. Er ist männlicher geworden, hat aber alle Unschuld und Weichheit der Kindheit beibehalten und aus diesen schwarzen Augen, die nicht brennen, sondern schwärmerisch glühen, spricht sie uns um so deutlicher an.
F. Grassi wird brave Schüler ziehen. In diesem Bilde drückt sich der Meister unverkennbar aus, so sehr, das ich beinahe behaupten wollte, Grassi habe selbst viel Hand angelegt.
M. Das glaube ich nicht: es ist zu viel Einheit in dem Gemälde; zwei Hände würden sich nicht so in einander verschmolzen haben.
F. Die Familie Rezsch scheint überhaupt viel Kunstanlagen zu haben. Die recht guten Landschaften die Sie dort sehen, es sind Copien nach Ruisdal, sind auch von einem Rezsch. –
M. Diese große Menge Landschaften mit Sepia gezeichnet, die an dieser Seite hängen, scheinen alle von Einem Meister zu seyn.
F. Und doch sind sie nur von den Schülern Eines Meisters, des Professor Zingg, aber sie sind alle recht fleißig gearbeitet. Doch verdienen die von Richter den Vorzug vor denen von Taubert und Müller. Der alte Schweizer Zingg hat seinen Schüler Richter so lieb, daß er eine Medaille auf ihn hat schlagen lassen. Kaum ist auch der Meister noch von dem Schüler zu unterscheiden.
M. Diese Ansicht der sogenannten Sächsischen Schweiz auf dem Winterberge, will mir aber doch nicht recht gefallen. Sie ist vom Winterberge herab auf die ungeheure Fläche die man dort übersieht, und die mehr als 6 Meilen im Durchschnitt beträgt, genommen, aber die Partien des Hintergrundes werden dadurch zu verwischt; man sieht nichts als einzelne Streifen, nichts zeichnet sich mehr aus, es ist ein Chaos, in welches das Auge keine Ordnung bringen kann. Anders ist es mit der lebenden Natur, da entwickeln sich doch nach und nach auch die entferntesten Partien, oder ich trage, von einzelnen kleinen Puncten veranlaßt, meine Ideen mit dorthin, und bilde mir selbst bestimmte Umrisse, dies fällt alles im Gemälde, besonders in einem Sepia-Gemälde, wo nicht einmal die Abwechslung der Farben statt finden kann, hinweg. –
F. Nicht weniger gut sind hier die Oelgemälde der Dem. Freystein. Sie stellen einen Prospekt mit dem Landhause des Fürsten Putiatino in Zschackwitz bei Dresden, eine Landschaft, eigne Erfindung, und eine dergleichen Copie nach Ruisdael vor, und die talentvolle Schülerin Klengels ist darin durchaus nicht zu verkennen, obschon ihre Sachen, die sie vorm Jahre ausgestellt hatte, mir noch vorzüglicher schienen.
M. Jener Prospekt mit dem Putiatinischen Landhause will mir nicht reche gefallen.
F. Das Landhaus, das in dem unregelmäßigsten Style und dem komischesten Geschmacke gebaut ist, den man sich nur denken kann, verdirbt das Ganze, macht es zu bunt, und zerstreut den Blick, der sich nirgends festhalten kann.
Unbekannt: Gespräche in den Sälen der Gemälde-Ausstellung zu Dresden (1804). Heinrich Frölich, Berlin 1804, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gespr%C3%A4che_in_den_S%C3%A4len_der_Gem%C3%A4lde-Ausstellung_zu_Dresden_(1804).djvu/6&oldid=- (Version vom 11.9.2024)