Haarseite grau oder gelb; das letztere, Kalbfell (vitulinum, woraus velin entstanden ist), war auf beiden Seiten fast gleich. Die letzte Hand mußte der schreibende Mönch selbst, oder ein ihm hilfreicher ungelehrter Bruder, an den Schreibstoff legen. Und zwar gibt es dafür aus verschiedenen Jahrhunderten ausführliche Vorschriften.[1] Zuerst sollten mit dem Schabmesser (rasorium) Überreste von Fett, Knötchen u. dgl. entfernt, sodann mit dem Bimsstein Unebenheiten, welche dem Schabeisen entgangen, Härchen u. s. w. weggerieben und endlich die Blätter liniiert werden. Schadhafte Stellen im Pergament zeigen sich von Linien umgeben oder umnäht. Die Linien für die Zeilen wurden mit Blei (aber, den Abbildungen zufolge, nicht mit einem Stift, sondern einer Platte von kreisförmiger Gestalt) gezogen, oder mit einem Holz- oder Metallstift eingedrückt. Von den roten Einfassungslinien u. s. w. wird weiter unten die Rede sein.
Im spätern Mittelalter wurde auch das Bereiten des Pergaments bürgerliches Gewerbe. Die Permenter, Permeter, Permynter, membranatores (membranae = Pergament) bildeten teils eine eigene Zunft – z. B. in Görlitz, wo es im 14. Jahrhundert ein Thor beim Permynter gab, – oder schlossen sich verwandten Gewerben an; so zählt das Buch der prager Malerzeche von 1348 membranatores und rasores als Mitglieder auf[2], während sie sich in Leipzig vielfach mit den Weißgerbern verbunden zeigen. Für Urkunden, Stadtbücher, Ritualbücher u. s. w. war das Pergament noch zumeist in Verwendung, und als es auch da allmählich verdrängt wurde, bemächtigte sich der Buchbinder des Materials.
Der Pflanzenstoff aber, welcher der Konkurrenz des tierischen erlegen war, sollte in anderer Gestalt, als Papier, diesem abermals und für die Dauer den Rang ablaufen. Man setzt das erste Auftreten des Baumwollenpapiers in Europa in das 8. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung, und zahlreiche Fragmente davon unter den Handschriften von El-Fayûm in Oberägypten, welche, Eigentum des Erzherzogs Rainer, im österreichischen Museum zu Wien aufbewahrt werden, stammen dem Charakter der Schrift zufolge aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts.[3] Ob die Araber selbständig darauf verfallen sein mögen, anstatt anderer Pflanzenfasern die Baumwolle zu verwenden, oder ob sie in diesem, wie in manchem andern Falle lediglich die Rolle der Vermittler zwischen dem äußersten
Fußnoten
- ↑ Wattenbach a. a. O. S. 129 fg.
- ↑ Pangerl, Das Buch der Malerzeche in Prag. (Quellenschriften s. Kunstgeschichte und Kunsttechnik. XIII.) Wien 1878.
- ↑ Karabaček, Die Th. Graf’schen Funde in Aegypten. – Ders., Katalog der Th. Graf’schen Funde. Wien 1883.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/005&oldid=- (Version vom 1.8.2018)