weil die Mittel, sie zu erwecken oder zu unterhalten, dem allgemeinen Geschmacke nicht mehr gemäß sind. Ich will diesen Eckel nicht ganz billigen; aber ich billige es auch nicht, daß man nicht eifriger ist, ihm vorzuwehren. Haben wir nicht eine Menge guter alter Predigten, und warum druckt man so viel neue mit Rechte? Der Geschmack in der Beredsamkeit hat sich geändert und gebessert; und viele können die rauhe und unbearbeitete Sprache und den sorglosen Ausdruck unsrer Väter nicht mehr dulden. Aus eben diesem Grunde wird man auch in der geistlichen Poesie, wenigstens wegen des gesittetern Theils unsrer Nation, neue Versuche wagen müssen; ob es gleich gewiß bleibt, daß wir viel schöne Lieder haben, die in hundert Jahren noch eben so verständlich und geistreich seyn werden, als sie vor hundert oder zweyhundert
Christian Fürchtegott Gellert: Geistliche Oden und Lieder. in der Weidmannischen Handlung, Leipzig 1757, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geistliche_Oden_und_Lieder-Gellert.djvu/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)