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Seite:Friedrich Fröbel - Die allgemeine deutsche Erziehungsanstalt in Keilhau bey Rudolstadt betreffend.pdf/2

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[733]fehlerhaft, daß er klar ausspricht: so kann es nicht bleiben. Ist es also damit, daß alles das, was jedem jetzt überwiegend im Leben als ein Fehlerhaftes und Verderbliches entgegentritt, schwinden möge und müsse, wenn wahres Familienglück und Volkswohl herrschen solle: so muß auch eine dieser Forderung entsprechende Entwickelung und Ausbildung unseres Geistes und Gemüthes größte Sorge und erstes Bedürfniß jedes Einzelnen, jeder Familie, wie des ganzen Volkes seyn.

Eine solche Entwickelung und Ausbildung kann aber nur eine in dem Wesen des menschlichen Geistes und Gemüthes bedingte, und aus demselben nothwendig hervorgehende, also eine allseitige und harmonische, mit den nothwendigen Erscheinungen und Forderungen des menschlichen Lebens in völliger Uebereinstimmung stehende seyn. Und diese dem Menschen zu geben, ist der Zweck unseres erziehenden Wirkens.

Unsere Erziehung nimmt so den innern Menschen zuerst und ganz in Anspruch; sie gründet ihren gesammten Entwickelungs- und Ausbildungsgang auf dieses Innere, dieses Geistige des Menschen und auf dessen Gesetze. Diese Gesetze sind es einzig, nach welchen wir den Menschen erziehen, also nicht willkürliche, nicht gemachte, sondern nothwendige, ewige. Daher streben und suchen wir auch jede Anlage des Zöglings nach diesen in dem menschlichen Geiste selbst liegenden, nothwendigen Gesetzen zu entwickeln und auszubilden; und sind der festen Ueberzeugung, daß diese Gesetze ebenfalls allen übrigen Erscheinungen zum Grunde liegen und sie bedingen.

So wie wir nun unsere Erziehung und unseren Unterricht überhaupt an das Geistige des Menschen, an das Wesen desselben und dessen Grundverhältniß zu Gott knüpfen und binden, so binden und knüpfen wir wieder jedes einzelnen Zöglings Erziehung an seine geistige Natur; so daß wir also eines Jeden Wesen, Anlagen und Talenten und eines Jeden Charakter nach der reinen Quelle derselben ihre Entwickelung und Ausbildung zu geben uns bemühen. Hierdurch sind wir überzeugt, die Uebereinstimmung der allseitigen Ausbildung des Menschen mit den Forderungen der Außenwelt und des Lebens, mit denen der häuslichen und bürgerlichen, der menschlichen und göttlichen Verhältnisse zu erreichen, zu deren Aufsuchung der Mensch mit so unwiderstehlicher Gewalt hingetrieben wird. Darum folgen wir stufenweise der Entwickelung des Menschen, von dem fast noch instinctartigen Triebe an durch die Empfindung und das Gefühl hindurch bis zum Bewußtseyn und Willen hinauf, und bemühen uns, dem Zöglinge auf jeder dieser Stufen nur das zu geben, was er auf derselben ertragen, verstehen und verarbeiten kann, was ihm aber zugleich wieder ein Leiter zur nächst höhern Stufe der Entwickelung und Ausbildung des Lebens wird. So verwahren wir ihn vor jeder Halb- oder Ueberbildung; und er tritt so von unten herauf gebildet einig mit Gott, mit sich und der Welt in den Beruf und Stand, welchen er seinem Innern gemäß wählt, oder der ihm seinem Innern angemessen gegeben wird. Seine, wenn auch auf der untersten Stufe noch nicht ganz klare, aber doch immer wahre und lebendige Erkenntniß von dem Wesen des Menschen und dessen Verhältniß zu Gott, wozu und wofür ihm sein Inneres und sein [734]Leben selbst ein unzweydeutiger Lehrer wird, wird ihn in allen Lebensverhältnissen zu einem würdevollen Betragen führen. So allseitig und nach den Forderungen seines Innern ausgebildet, ist unserem Zögling alles, was er kann und weiß, aus seinem Innern selbst gleichsam hervorgewachsen. Daher wird er auch alles sein Wissen und Können nicht allein überall zweckmäßig anwenden, sondern er trägt auch die Mittel zur eignen weitern Ausbildung und Vervollkommnung in sich; es ist nichts Todtes, Angelerntes, sondern lebendig aus dem Innern Entwickeltes, was also auch so wie sein Wesen, das Wesen der Menschheit von Stufe zu Stufe der Vollkommenheit entgegenschreitet.

Aus dieser Entwickelung und Ausbildung nach Maaßgabe eines Jeden Anlage und Kraft müssen nothwendig zufriedene, thätige, tüchtige Glieder der Familie hervorwachsen. Denn in jedem Menschen ruht für irgend eine Wirksamkeit, irgend einen Beruf eine vorwaltende Anlage, und für die Ausbildung derselben eine in gleichem Verhältniß stehende Kraft. Die Ausbildung nun für diesen von der Natur selbst bestimmten und gegebenen Beruf kann keine andere als zufriedene und tüchtige Familien- und Volksglieder hervorbringen. Wir suchen diese Zufriedenheit mit sich, diese Befriedigung in und durch die verschiedenen Verhältnisse des Lebens noch ins Besondere dadurch zu erreichen, daß wir in unserer Lehre und unserem Unterrichte Erkennen und Thun, Denken und Darstellen, auf das innigste zu vereinigen streben, und in dem Menschen die Fähigkeit entwickeln und zur Fertigkeit zu erheben suchen, jedes Erkannte und Gedachte auch außer sich darzustellen, und das außer ihm sich Findende leicht sich anzueignen – und so das Erkennen des Menschen zum größten und höchsten Thun zu erheben, und ihn bey seinem Thun zum gründlichen und ersprießlichen Denken zu führen.

Hierdurch wird besonders in jedem Zöglinge früher die Fähigkeit, für Selbstständigkeit, Selbsterhaltung wirken zu können, vermittelt, zur Fertigkeit und Sicherheit, zum Bewußtseyn und so zur ächten und wahren Würdigung erhoben.

Da wir den Menschen nach der Allseitigkeit seines Wesens und seiner Anlagen im Auge haben, so ist es natürlich, daß die Entwickelung für die Kunst wie für das Wissenschaftliche, die Bildung für die Hervorbringung der einfachen Naturproducte wie für die einfachere und höhere Bearbeitung derselben, daß uns die Kenntniß der Stoffe und Kräfte der Natur, und die Naturgeschichte wie die Volks- und Menschengeschichte, die Mathematik wie die Sprache, und hier die sogenannten todten wie die lebenden Sprachen etc. zur Ausbildung des Menschen gleich wichtig seyn müssen.

Es ist uns nun nur noch übrig, den innern Zusammenhang der drey bis jetzt von uns erschienenen anzeigenden Schriftchen anzudeuten.

Einheit, Einigkeit und Zutrauen sind die Grundbedingungen jedes ersprießlichen Wirkens besonders für bleibendes Familienglück und Vaterlandswohl. Jeder Deutsche hat gewiß diese Wahrheit, wenn auch nicht klar und bewußt gedacht, jedoch mit uns