Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 | |
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„Die Ehen werden im Himmel geschlossen„“, dieser schöne Ausspruch ist längst durch die Wirklichkeit widerlegt. Es ist ungemein bedauerlich, daß in unserm materiellen Zeitalter eine glückliche Ehe als große Seltenheit gilt. Unglückliche Ehen sind in allen Gesellschaftskreisen vorhanden. In den Kreisen der Begüterten ist wohl in der Hauptsache der Umstand schuld, daß die Ehen vielfach nicht aus innerer gegenseitiger Neigung, sondern geschlossen werden mit Rücksicht auf eine große Mitgift, eine in Aussicht stehende Erbschaft oder anderer äußerer Vorteile wegen. Dadurch wird die Ehe eine Art Versorgungsanstalt. Daß derartige Ehen nicht glücklich sein können, ist begreiflich. Vielfach werden auch unglückliche Ehen dadurch verschuldet, daß sie in übereilter Weise und in solch’ jugendlichem Alter geschlossen werden, daß beide Ehegatten, insbesondere der männliche Teil, noch gar nicht den nötigen Ernst und auch nicht das Bedürfnis zu einer Familiengründung empfindet. Aber auch in den unbemittelten Volkskreisen begegnet man vielfach unglücklichen Ehen. Zweifellos wird das schöne Dichterwort nicht genügend beachtet:
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet.“
Sowohl im Mittelstande, als auch in den ärmeren Kreisen werden die unglücklichen Ehen vielfach durch den Umstand verschuldet, daß die Frau es nicht versteht, durch Wirtschaftlichkeit, Sauberhalten der Wohnräume und Zubereitung
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/5&oldid=- (Version vom 18.2.2023)