Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 Fürst Bismarck gegen den Universitätsprofessor Dr. Theodor Mommsen | |
|
Im Herbst 1881 fanden zum ersten Male die Reichstagswahlen unter dem Sozialistengesetz statt. 1879 hatte in Deutschland die Aera der Schutzzollpolitik eingesetzt. Die Wahlbewegung war infolgedessen im Jahre 1881 eine sehr erregte. Ganz besonders lebhaft war der Wahlkampf in Groß-Berlin, zumal die neuerstandene antisemitische Partei zum ersten Male in die Wahlbewegung eingriff. Auch die Männer der Wissenschaft, wie die Professoren DDr. Adolf Wagner und Theodor Mommsen waren vom Olymp in die Arena des Wahlkampfes herabgestiegen. Professor Dr. Theodor Mommsen hatte am 24. September 1881 in einer zu Tempelhof bei Berlin stattgefundenen liberalen Wählerversammlung zugunsten des dort aufgestellten liberalen Kandidaten, Fabrikbesitzers Wöllmer eine Rede gehalten und in dieser u. a. geäußert: „Es gilt jetzt, daß alle liberalen Parteien fest zusammenstehen gegen die Propheten der neuen Wirtschaftspolitik, die eine Politik der gemeinsten Interessen, warum soll ich es nicht sagen, eine Politik des Schwindels ist. Ja, meine Herren, es ist und bleibt dies eine Schwindelpolitik, gleichviel ob sie von einem hoch oder niedrig gestellten Manne in die Hand genommen wird.“ Durch diese Äußerung fühlte sich Fürst Bismarck beleidigt und stellte gegen Mommsen Strafantrag. Infolgedessen hatte sich der weltberühmte Historiker Professor Dr. Mommsen am 15. Juni 1882 vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Berlin II zu verantworten. Den Gerichtshof bildeten Landgerichtsdirektor Neumann (Vorsitzender) und die Landgerichtsräte Herzog, Humbert, Meißner und Gerichtsassessor
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)