Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 | |
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Gefahr, eine Unschuldige zu verurteilen, nicht ganz ausgeschlossen ist. – Alsdann teilte der Dolmetscher der Angeklagten den Antrag des Staatsanwalts und auch den des Verteidigers in polnischer Sprache mit. Die Angeklagte bemerkte darauf mit weinender Stimme: Ich habe mit meinen „geliebten“ Männern friedlich gelebt, wenn es auch bisweilen zu Streitigkeiten gekommen ist. Arsenik ist niemals in mein Haus gekommen. Ich schwöre bei Gott, daß ich vollständig unschuldig bin. – Der Vorsitzende erteilte alsdann den Geschworenen die vorgeschriebene Rechtsbelehrung. Nach halbstündiger Beratung der Geschworenen verkündete der Obmann, Amtsvorsteher Fox (Nadrau): Die Geschworenen haben die Schuldfragen betreffs Bachur, Kempka und Wiescholleck bejaht, betreffs Panneck verneint. – Der Erste Staatsanwalt, beantragte darauf, die Angeklagte zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zu verurteilen. – Die Angeklagte beteuerte von neuem mit weinender Stimme, daß sie unschuldig sei. – Der Verteidiger erklärte, daß er nichts weiter zu sagen habe. – Nach kurzer Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr. Thiessen: Im Namen des Königs hat der Gerichtshof, entsprechend dem Spruch der Geschworenen, die Angeklagte im Falle Panneck freigesprochen, in den Fällen Bachur, Kempka und Wiescholleck dagegen in jedem einzelnen Falle zum Tode verurteilt und außerdem der Angeklagten die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Soweit Verurteilung erfolgt ist, hat die Angeklagte, soweit auf Freisprechung erkannt ist, die Staatskasse die Kosten des Verfahrens zu tragen. – Die Angeklagte wurde, als ihr der Dolmetscher das Urteil mitteilte, kreidebleich. – Die eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht zurückgewiesen. Kurze Zeit darauf wurde die Angeklagte auf dem Gefängnishofe zu Allenstein hingerichtet.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/31&oldid=- (Version vom 31.12.2023)