Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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dazu verleitet haben, denn der Angeklagte hat in seinem ganzen Auftreten dem Gerichtshof den Beweis geliefert, daß er nicht nur ein Mann von Bildung ist, sondern daß er auch eine gewisse Findigkeit und große, im bürgerlichen Leben zu verwertende praktische Kenntnisse besitzt. Der Angeklagte war somit in der Lage, auf ehrliche Art und Weise sich und seine Familie zu ernähren, wenn auch sein Verdienst alsdann ein nicht so großer und seine Arbeit vielleicht eine mühevollere gewesen wäre. In Erwägung aller dieser Umstände hat der Gerichtshof erkannt: wegen des Aufmarsches und der Instruktion zur Komplettierung der Behörden mit Truppen und Pferden auf je 3 Jahre Zuchthaus, wegen des Auszuges aus der Fortifikation von Metz und den technischen Bestimmungen, betreffend Artillerie- und Garnisonbauten, auf je 2½ Jahre Zuchthaus, wegen des Versuchs betreffs der Telegrapheninstruktion auf 2 Jahre Zuchthaus, wegen des Versuchs mit dem Repetiergewehr auf 1½ Jahr Zuchthaus und wegen Aufforderung zum Landesverrat auf 1 Jahr Gefängnis, die den gesetzlichen Bestimmungen gemäß in 8 Monate Zuchthaus umzuwandeln waren. Die Gesamtstrafe beträgt somit 15 Jahre und 2 Monate Zuchthaus, die gemäß § 74 des Strafgesetzbuches auf 9 Jahre Zuchthaus reduziert worden sind. Da die Handlungsweise des Angeklagten eine ehrlose war, so sind dem Angeklagten auch die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden. Was den Angeklagten Kraszewski anbetrifft, so ist erwogen worden, daß dieser ursprünglich die Triebfeder des Ganzen war. Der Umstand, daß er Pole ist, kann mildernd nicht ins Gewicht fallen. Tatsächlich lebt er seit vielen Jahren in Deutschland, ist deutscher Staatsangehöriger und hat somit sein Vaterland verraten. Es kommt jedoch in Betracht, daß Kraszewski Mitglied der polnischen Nationalpartei ist, daß somit anzunehmen ist, seinen Handlungen habe ein gewisses Ideal zugrunde gelegen. Wenn auch nicht jede verbrecherische Handlung, die aus idealen Motiven geschehen,
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/67&oldid=- (Version vom 25.3.2023)