Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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qualifiziert sich zweifellos als Verbrechen im Sinn des § 92 des Strafgesetzbuches. Hentsch bot dem Adler „neue streng sekretierte Sturmgeräte für 200 Mark“ an. Das Geschäft kam jedoch nicht zustande; der Gerichtshof hat deshalb in dieser Handlungsweise nur eine Aufforderung zum Landesverrat erblickt. Der Gerichtshof hat deshalb den Angeklagten Hentsch in 4 Fällen des vollendeten, in 2 Fällen des versuchten Landesverrats und in einem Falle der Aufforderung zum Landesverrat für schuldig erachtet. Was nun das Strafmaß anlangt, so ist als erwiesen angenommen worden, daß Hentsch dem Adler noch sekrete Dinge übermittelte, als er bereits wußte, daß dieser Agent der österreichischen und russischen Regierung war. Dies beweisen eine Anzahl Briefe, die Hentsch an Adler gerichtet, und auch die Bekundungen der hier vernommenen Herren Untersuchungsrichter. Es ist ferner erwiesen worden, daß Hentsch dem Adler außerdem ungemein wichtiges Material, wie Küstenbefestigungen, Resultate über Pulverversuche, Normalbauten für die Befestigung Deutschlands usw. angeboten hat. Der Gerichtshof hat aus den zur Verlesung gelangten Briefen die Überzeugung gewonnen, daß diese Offerten nicht gemacht wurden, um Adler zu düpieren und ihn los zu werden. Hentsch war im Gegenteil stets bemüht, genaues Material zu liefern. Ob er seine Arbeiten direkt an fremde Regierungen verkaufte oder durch Vermittelung dritter Personen, ist vollständig gleichgültig. Einen Milderungsgrund für Hentsch vermag selbst der humanste Richter nicht zu finden. Hentsch war Offizier der deutschen Armee; mittelst dieser ehemaligen militärischen Eigenschaften gelang es ihm, sich durch Überredungen usw. in den Besitz sekreten Materials zu setzen. Seine militärischen Kenntnisse gestatteten ihm einen vollständigen Einblick in die Gefahren, die er durch seine Handlungsweise dem Vaterlande bereitete. Es ist nun zu erwägen, ob Hentsch lediglich alle diese Verbrechen schnöden Geldgewinnes halber beging. Not kann ihn nicht
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/66&oldid=- (Version vom 25.3.2023)