Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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Axiom, für die Wiederherstellung des Königreichs Polen zu wirken. Es gibt ja eine Anzahl Polen, die resigniert den Verhältnissen entgegensehen. Zu diesen Leuten zählte jedoch der Angeklagte v. Kraszewski nicht. Der Angeklagte v. Kraszewski war allerdings kein Revolutionär im gewöhnlichen Sinne; dazu war er zu alt und zu reich an Erfahrung. Er hatte drei blutige erfolglose Revolutionen mit durchlebt, er wußte, daß mit dem Säbel in der Hand nichts auszurichten war. Allein er war trotzdem in eifrigster Weise für die Wiederherstellung Polens tätig. Er versuchte das, da er den anderen Weg augenblicklich nicht für geboten hielt, in anderer Weise, und zwar durch Belehrung seines Volkes zu bewirken. Er gewann sich auch dadurch die vollen Sympathien seiner Landsleute, wie die Feier seines fünfzigjährigen Schriftstellerjubiläums in Krakau bewiesen hat. Aus den von dem Angeklagten geschriebenen Romanen geht zur Evidenz hervor, daß der Angeklagte v. Kraszewski ein Feind der Deutschen und ein Freund der Franzosen war. So z. B. heißt es in einem seiner jüngst geschriebenen Romane: „Der Sachse ist stupide, mit eingefallenen Schultern. Seinen Mund öffnet er nur zum Fluchen.“ – Verteidiger, Rechtsanwalt Saul: Ich muß doch gegen die Verlesung eines Buches protestieren, das nicht Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen ist. – Staatsanwalt: Dann werde ich mich auf bloße Erwähnungen beschränken; ich halte dies zur Charakteristik des Angeklagten Kraszewski für erforderlich. – Vors.: Ich habe nichts dagegen, wenn der Herr Vertreter der Reichsanwaltschaft eine kleine Exkursion behufs Charakterisierung des Angeklagten macht. – Staatsanwalt fortfahrend: An einer andern Stelle des Romans heißt es: „Die Berliner, einmal mit Weißbier angefüllt, gleichen losgelassenen Bestien, denen mit dem Bajonett zu begegnen ist und die mit dem Pallasch auseinandergetrieben werden müssen.“ Und was sagt Kraszewski von den Franzosen: „Schön wie ein Königssohn, gerade gewachsen.“ –
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/50&oldid=- (Version vom 24.3.2023)