Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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Ist es nicht eine Mystifikation, ist es nicht eine Übertreibung? Allein die Verhandlung hat uns den Beweis geliefert, daß wir vor ernsten Tatsachen stehen. Es kann den hohen Gerichtshof wenig interessieren, welche politische Ansichten Reinsdorf hat, ich werde deshalb auch bei diesem Punkte nur sehr kurz verweilen. Ich will zunächst bloß bemerken, daß er die Expropriierung alles Eigentums geltend gemacht hat, daß er ein hervorragendes Mitglied der internationalen Anarchistenpartei ist. Wenn ich zu dem ersten Anklagepunkte, dem Dynamitattentat in der Willemsenschen Restauration zu Elberfeld übergehe, so werden wir zunächst zu untersuchen haben, inwieweit Reinsdorf an diesem Verbrechen beteiligt ist. Die Teilnahme des Reinsdorf hierbei ist nicht ohne Interesse für das Verbrechen auf dem Niederwald. Ich erinnere an die verschiedenen Zusammenkünfte bei Weidenmüller, woselbst Reinsdorf wiederholt geäußert hat: man müsse zur Tat übergehen, man dürfe von Dynamit nicht bloß schreiben, sondern müsse es auch zur Anwendung bringen, man müsse das Sedanfest durch eine Demonstration stören. Ich erinnere an die Auslassungen des Bachmann und der übrigen Angeklagten, ich erinnere an die Bekundungen der Schutzleute, die den Bachmann verhaftet haben. Letzteren hat Bachmann sofort erklärt: Reinsdorf hat mich verführt. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß es in Reinsdorfs Absicht lag, nicht bloß in dem Willemsenschen Saale, sondern auch in der Frankfurter Bierhalle in Elberfeld ein gleiches Verbrechen zu begehen. Daß es dem Bachmann bloß darum zu tun war, eine Knalldemonstration ins Werk zu setzen, ist nicht wahr. Objektiv ist nachgewiesen, daß die Explosion geeignet war, Menschen zu töten. Der Kellner Fricke ist in der Tat erheblich verwundet worden. Es konnte dem Bachmann nicht unbekannt sein, daß im Nebenzimmer Menschen versammelt waren. Es waren etwa 30 Elberfelder Ärzte versammelt, die über die Arbeiter-Krankenkassen eine Beratung hielten. Es ist anzunehmen, daß diese Beratungen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/223&oldid=- (Version vom 23.7.2024)