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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/84

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Früstück und Herr Kaufmann Lohse dem Herrn Nebenkläger Darlehne gegeben haben, da er offenbar beim Spiel Geld verloren hatte. Betreffs der „Oberschafs-Angelegenheit“ ist in 90 Prozent der Wahrheitsbeweis geführt worden, und es war nicht ausgeschlossen, daß der Wahrheitsbeweis vollständig erbracht worden wäre. Wäre alles aus der Luft gegriffen gewesen, dann hätte man den Artikel vom 19. Dezember 1902 nicht verjähren lassen. Es kann doch nicht bestritten werden, daß hier öffentliche Mißstände gegeißelt worden sind. Die Tendenz oder politische Richtung des Blattes ist dabei vollständig gleichgültig. Ich billige weder die Geschmacklosigkeit des „Residenzboten“, noch teile ich seine politische Richtung, die, wenn auch nicht sozialdemokratisch, so doch sehr nach links geht. Ich bin aber der Meinung, die Tendenz und politische Richtung eines Blattes dürfen weder beim Prüfen der Schuldfrage, noch bei der Strafzumessung in Betracht kommen. Es wäre das andernfalls ein politisches Urteil. Auch die Person Biermanns und seine moralische Qualifikation darf das Urteil nicht beeinflussen. Würde die Tendenz und politische Richtung eines Blattes das Urteil beeinflussen, dann wäre das eine Gefahr für unsere gesamten öffentlichen Rechtszustände. Eine solche Gefahr ist aber bei dem hohen Gerichtshof ausgeschlossen, nachdem sämtliche Mitglieder von vornherein erklärt haben, daß sie nicht befangen seien. Jedenfalls haben Blätter wie der „Residenzbote“ dieselbe Existenzberechtigung, wie alle anderen positiven Zeitungen. Es liegt wohl im Interesse der Allgemeinheit, wenn öffentliche Mißstände gegeißelt werden. Derartige Kritiken mögen ja vielfach unangenehm empfunden werden, sie tragen aber doch zweifellos zur Förderung des Gemeinwohls bei. Im allgemeinen Kulturinteresse wäre es zu beklagen, wenn solche Blätter wieder verschwänden. – Der Verteidiger suchte im weiteren den Nachweis zu führen, daß eine beleidigende Absicht nicht festgestellt sei, daß

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/84&oldid=- (Version vom 26.5.2024)