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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/114

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

§ 186 des Strafgesetzbuchs für schuldig erachtet und ihn, einschließlich der gegen den Angeklagten am 28. September 1904 erkannten Gefängnisstrafe von einem Monat, zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. Dem beleidigten Herrn Minister ist die Publikationsbefugnis in den „Oldenburgischen Anzeigen“ und im „Residenzboten“ zugesprochen worden. Es ist dem Minister Ruhstrat in zwei Artikeln des „Residenzboten“ vom Angeklagten der Vorwurf gemacht worden: er habe einen Meineid geleistet und im Landtag die Unwahrheit gesagt. Für beide Behauptungen ist der Beweis der Wahrheit nicht erbracht worden. Die beiden vernommenen Richter, die in der Verhandlung wider Dr. Ries-Biermann, der eine als Vorsitzender, der andere als Referent fungiert, haben in durchaus glaubwürdiger Weise bekundet, daß der Minister die behauptete Äußerung nicht getan hat. Damit fällt auch der Vorwurf, daß der Minister sich der Unwahrhaftigkeit im Landtage schuldig gemacht habe. Der Bekundung des Zeugen Meyer hat der Gerichtshof keinen Glauben geschenkt, zumal sie im direkten Gegensatz zu den Bekundungen der Zeugen Schmidt, Dr. Schleppegrell und Becker steht und der Zeuge Meyer heute außerdem zu einem durchaus glaubhaften Zeugen in einen direkten Gegensatz getreten ist. Es ist nur erwiesen, daß der Minister nach 1896 im Kasino gepokert hat. Der Gerichtshof ist aber auch der Ansicht, daß Pokern kein Glücksspiel ist, da dabei nicht der blinde Zufall, sondern eine gewisse Geschicklichkeit entscheidet. Jedenfalls ist nicht erwiesen, daß der Minister als Oberstaatsanwalt und Minister „Lustige Sieben“ gespielt hat. Bei der Strafzumessung war zu erwägen, daß der Angeklagte dem höchsten Justizbeamten des Landes den schwersten Vorwurf, den man sich denken kann, den des Meineids gemacht und diesen Vorwurf erhoben hat, ohne sich zu vergewissern, ob er auf Wahrheit beruht. Strafmildernd ist erwogen worden, daß der Angeklagte in fremde Verhältnisse geradezu

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/114&oldid=- (Version vom 4.7.2024)