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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/113

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

der Verteidigung beantragt worden ist, den Kriminalkommissar von Manteuffel (Berlin) als Sachverständigen zu befragen, ob Pokern ein Glücksspiel ist, so will ich mich darüber nur in Kürze äußern. Ich halte Pokern, zumal wenn es im Kreise von gesellschaftlich Gleichgestellten gespielt wird, für kein Glücksspiel. Das Reichsgericht hat über diese Frage noch keine Entscheidung getroffen, es hat aber entschieden: ein Glücksspiel ist nicht vorhanden, sobald das Spiel nicht vom Zufall, sondern von einer gewissen Geschicklichkeit abhängt. Beim Pokern ist aber eine gewisse Geschicklichkeit erforderlich. Ich wiederhole, der Angeklagte hat in keinem Punkte den Beweis der Wahrheit zu führen vermocht, er ist also auf Grund des § 186 des Strafgesetzbuches zu bestrafen. Bei der Strafzumessung ist zu erwägen die Schwere der Beleidigungen und der Umstand, daß der Angeklagte die Artikel aus Skandalsucht veröffentlicht hat, ohne sich irgendwie zu erkundigen, ob die Behauptungen wahr seien. Es ist ferner zu erwägen, daß dem höchsten Justizbeamten des Landes wissentlicher Meineid, also wohl die schwerste Beleidigung, zum Vorwurf gemacht worden ist. Dadurch hat aber auch der Angeklagte die öffentliche Autorität in schwerster Weise erschüttert. Ich beantrage eine Gefängnisstrafe von einem Jahre drei Monaten, Publikationsbefugnis für den beleidigten Herrn Minister und außerdem, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. – Der Nebenkläger, Minister Ruhstrat, sein Vertreter, Rechtsanwalt Wisser, und selbstverständlich auch die Verteidiger, waren zur Verhandlung nicht erschienen. – Vors.: Angeklagter, haben Sie noch etwas anzuführen? – Angeklagter, der körperlich sehr heruntergekommen aussah, antwortete mit einem vernehmlichen Nein. – Nach etwa halbstündiger Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Erk, folgendes Urteil: Der Gerichtshof hat den Angeklagten der zweifachen Beleidigung des Ministers Ruhstrat im Sinne des

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/113&oldid=- (Version vom 17.6.2024)