Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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sich krank fühlte, begab er sich schließlich in ein Hotel. Am nächsten Morgen ging er zu seinem Opfer ins Haus. Als der Graf ihn freundlich begrüßte, schoß er ihm, ohne ein Wort zu sagen, vier Revolverkugeln in den Leib. Der Graf rief: „Guter, Lieber, warum? Was habe ich dir getan?“ Vier Tage später erlag der Graf den erlittenen Verletzungen. Naumow hat alsdann angeblich sich selbst erschießen wollen, er hatte aber den Mut nicht dazu gefunden. Er ist schließlich nach Verona entflohen und wurde dort verhaftet. Naumow legte sofort ein offenes reumütiges Geständnis ab. Infolgedessen wurden sofort die schöne Gräfin Mura Tarnowska, der ehemalige Moskauer Rechtsanwalt Prilukow und die Zofe der Gräfin, Kammerfrau Perier, verhaftet. Der furchtbare Mord erregte begreiflicherweise in der ganzen Kulturwelt das größte Aufsehen und rief überall eine furchtbare Empörung hervor. Es wurde eine eingehende Untersuchung vorgenommen. Gegen Naumow wurde die Anklage wegen Mordes, gegen die Gräfin Tarnowska und Prilukow die Anklage wegen Anstiftung bezw. Beihilfe zum Morde und gegen die Kammerfrau Perier wegen unterlassener Anzeige erhoben. Unter der größten Spannung Europas begann endlich am 4. März 1910 vor dem Schwurgericht zu Venedig die Verhandlung. Den Vorsitz führte Landesgerichtsrat Tusitano. Die Anklage wurde vom Staatsanwalt Randi vertreten. Die Verteidigung führten die Advokaten Vertaccioli, Driussa und Marigomta für Naumow, die Advokaten Suzzatti, Florian und Caratti für Prilukow, die Advokaten Diena, Vecchini und Gotti für die Gräfin Tarnowska, die Advokaten Jocchia, Albert Musatti und Elias Musatti für die Perier. – Die alte Mutter des ermordeten Grafen Komarowski hatte sich der Anklage als Nebenklägerin angeschlossen und mit ihrer Vertretung die Advokaten Feder und Carnelutti betraut. Eine Anzahl Ärzte war sowohl von der Anklagebehörde als auch von der Verteidigung als Sachverständige geladen. Der Andrang des Publikums zu dieser seltenen Gerichtsverhandlung war
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/22&oldid=- (Version vom 25.12.2022)