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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 2 (1911).djvu/82

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

werden Sie später noch das Wort erhalten. Jetzt setzen Sie sich!

Nach Verlesung der Schuldfragen nahm Staatsanwaltschaftsrat Plaschke das Wort: Meine Herren Geschworenen! Ich glaube nicht, daß in diesem Augenblicke bei Ihnen noch ein einziger darüber zweifeln kann, welche Anträge ich Ihnen unterbreiten werde und wie die Ihnen vorgelegten Fragen zu beantworten sind. Und weil ich glaube, daß Sie ganz genau wissen, was ich tun werde und tun muß, so will ich – abweichend von den sonstigen Gepflogenheiten – meine Schlußanträge gleich voranstellen: Ich beantrage, bezüglich der Frau Gönczi die Schuldfragen zu verneinen und den Angeklagten Gönczi des Raubes und Mordes in zwei Fällen für schuldig zu erklären. Man kann den Satz aufstellen, daß jedermann, also auch der Angeklagte, ein gewisses Anrecht darauf hat, daß seine Angaben so lange für wahr und glaubwürdig gehalten werden, als ihm das Gegenteil nicht klipp und klar nachgewiesen wird. Da die Erfahrung dafür spricht, daß der Angeklagte, der nichts zu verbergen hat, die Wahrheit sagt, so habe ich es in anderen Strafprozessen so gehalten, daß ich die Angaben der Angeklagten immer genau prüfte, ob deren Angaben wahr oder unwahr oder bewußt unwahr, d. h. erlogen waren. Würde ich nun diesen Weg auch heute gehen und Punkt für Punkt beleuchten und erörtern, in denen der Angeklagte bewußt die Unwahrheit gesagt hat, so würde aus Abend und Morgen der nächste Tag werden. Ich werde deshalb nur die Punkte in den Aussagen des Angeklagten berühren, die für die Schuldfragen von Bedeutung sind. Haben wir auch den Angeklagten als Lügner kennen gelernt, so bitte ich Sie doch, rechnen Sie dies ihm nicht zu hoch an. Seine Lügen sind ihm in Fleisch und Blut übergegangen, er stellt selbst die unwesentlichsten Punkte in Abrede. Es ist ihm kaum möglich, die Wahrheit zu sagen, obgleich er wissen muß, daß er dadurch jede Sympathie bei seinen Richtern verlieren muß. Aber wie gesagt, ich bitte Sie, rechnen Sie ihm

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/82&oldid=- (Version vom 31.7.2018)