Xanten zur Feststellung eines Verbrechens zu fahren. In Xanten sei ein Knabe ermordet worden, das Verbrechen werde den Juden in die Schuhe geschoben, und es werden in Folge dessen gegen die Xantener Juden Exzesse verübt. Ich sagte dem Herrn: er müsse sich an den Minister des Innern oder der Justiz wenden, diese allein seien im Stande, einen Polizeibeamten aus Berlin nach auswärts zu schicken. Im Monat September erhielt auch ich vom Minister den Auftrag, nach Xanten zu fahren. Ich fuhr am 25. September zunächst nach Cleve und begab mich alsdann nach Xanten. In Goch stiegen mehrere Xantener Bürger ein. Unter diesen fiel mir ganz besonders Junkermann auf, den ich als einen sehr häßlichen Schwätzer kennen lernte.
Junkermann erzählte: Sein Sohn sei Arzt, und dieser habe ihm geschrieben, daß die Juden Christenblut brauchen, und er, der früher Metzgermeister gewesen, wisse auch genau, daß der Knabe nach ritueller Art geschächtet worden sei. Ich gab mich unterwegs nicht zu erkennen, um etwas zu hören. Als wir in Xanten ausstiegen, winkte ich den Junkermann zu mir heran. Dieser wurde, als ich mich ihm vorstellte, etwas kleinlaut, hielt aber seine Behauptung aufrecht. Ich gewann jedenfalls im Großen und Ganzen sehr bald die Ueberzeugung, daß die Leute in Xanten alle unter einem gewissen Druckgefühl stehen, so daß es geboten sei, sehr vorsichtig zu sein. Der Zeuge berichtet nun, in welcher Weise er den Thatort gefunden u. s. w. Er habe alsdann mehrere Leute, Mann und Frau Hegmann, Steinmetz Wesendrup u. s. w. vernommen. Letzterer habe ganz besonders einen sehr schlechten Eindruck auf ihn gemacht. Er habe immer nur antisemitisches Geschimpfe, aber keine Thatsachen gehört. Er sei alsdann zur Staatsanwaltschaft nach Cleve gefahren, um dieser Bericht zu erstatten.
Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft sei er nach Xanten wieder zurückgefahren und habe bei Buschhoff am 14. Oktober 1891 Haussuchung vorgenommen. Als er zu Buschhoff kam, war dieser gerade in der Synagoge. Er habe gewartet, bis Buschhoff aus der Synagoge zurückkam. Er habe eine Reihe Messer bei Buschhoff beschlagnahmt. Er habe sonst in der Buschhoff’schen Wohnung nichts Auffälliges gefunden.
Präs.: Welchen Eindruck machten Buschhoff, Frau und Tochter und welchen Eindruck haben die Hauptzeugen auf Sie gemacht?
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)