stattgefunden, wie verhalten sich die Herren Gerichtsärzte zu dieser Bekundung?
Die Gerichtsärzte bemerken übereinstimmend, daß sie dieses Urtheil verwerfen.
Staatsanwalt: Wie verhalten sich die Herren zu der Bekundung, daß der Leichnam blutleer gewesen ist?
Kreisphysikus Dr. Bauer: Ich bemerke wiederholt, daß ich am Fundort soviel Blut gefunden habe, als der Ermordete angesichts der erlittenen Verletzung nur verlieren konnte. Der Körper des Leichnams hat genau soviel Blut verloren, als auf dem Fundorte vorhanden war. Es ist selbstverständlich, daß bei einem solch’ heftigen Blutverlust der kleine Körper eine gewisse Blutleere hatte.
Kreiswundarzt Dr. Nünninghoff pflichtet diesem Gutachten bei.
Staatsanwalt: Herr Dr. Steiner hat bekundet, er habe kein Stroh in den Händen des ermordeten Knaben gesehen?
Kreisphysikus Dr. Bauer: Ich bemerke, daß der Ermordete Strohhalme krampfhaft zusammengepreßt in den Händen hielt. Diese Zusammenpressung ist zweifellos während des Todeskampfes geschehen, nicht etwa während der Leichenstarre.
Staatsanwalt: Sie sind also der Meinung, Herr Kreisphysikus, daß der Mord in der Scheune geschehen ist?
Sachverständiger: Jawohl.
Kreisphysikus Dr. Bauer wiederholt im Weiteren auf Befragen des Staatsanwalts, daß er eine genaue Untersuchung vorgenommen, ob ein Lustmord vorliege. Er habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden. Der Tod sei durch Verblutung eingetreten. Er habe auch keinerlei Anhaltspunkte gefunden, daß der ermordete Knabe vor der Ermordung Kirschen gegessen habe. Die Durchschneidung des Halses habe zweifellos mit einem großen scharfen Messer stattgefunden.
Präsident: Sie haben einmal erklärt, daß die Durchschneidung des Halses mit einem Schlächtermesser geschehen ist.
Sachverständiger: Das nahm ich damals an, ich kann das aber nicht als Behauptung aufstellen.
Präs.: Sind Sie der Meinung, daß der Schnitt ein Schächtschnitt gewesen ist? Ist Ihnen der Schächtschnitt bekannt? – Sachverst.: Jawohl, der Schächtschnitt ist mir ganz genau bekannt. Es war kein Schächtschnitt, denn die Durchschneidung
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)