Frau Kernder hatte sich das Alles so zurechtgelegt, wie es ihr paßte. Der Präsident läßt diese, sowie auch die meisten bisherigen Zeugenaussagen protokolliren. Der Präsident bemerkt, daß die Protokollirung aus Anlaß einer Ministerialverfügung geschehe. – Landgerichtsrath Brixius bemerkt im Weiteren auf Befragen: Frau Kernder sagte mir, ihr Sohn Stephan habe ihr erzählt: Frau Buschhoff habe, nachdem sie den kleinen Hegmann in’s Haus gezogen, zu den anderen Kindern in frechem Tone gesagt: „Ihr scheert Euch nach Hause.“ Mir kam dies nicht glaubwürdig vor, da dies nicht der Ausdruck eines Kindes zu sein pflegt. Als ich der Zeugin sagte: Hat das wirklich der Knabe gesagt, nahm er diese Bemerkung als unrichtig zurück.
Bürgermeister Schleß bekundet auf Befragen, daß Frau Beekmann vor Jahren als Kindermädchen bei ihm gedient und damals ihm wenig glaubhaft schien, auch naschhaft gewesen ist. Den Ehemann Beekmann kenne er weniger, er habe nur gehört, daß dieser zwei Mal aus Stellungen ganz plötzlich entlassen worden sei. Den Ullenboom kenne er auch nicht, es werde aber im Allgemeinen über dessen Zeugniß die Achseln gezuckt, da dasselbe so sehr zu Gunsten Buschhoffs war.
Landgerichtsrath Brixius bekundet alsdann im Weiteren: Den Mallmann hielt ich für derartig unglaubwürdig, daß ich, wenn er nicht bereits verteidigt gewesen wäre, ihn nicht vereidigt hätte. Ullenboom machte auf mich den Eindruck eines durchaus sicheren und vor Allem sehr vorsichtigen Zeugen. Mölders machte auf mich den Eindruck eines sehr schwerfälligen und eines sehr langsam denkenden Mannes, der nicht im Stande ist, genau zu unterscheiden zwischen dem, was er selbst wahrgenommen und was Andere ihm erzählt haben.
Aus dem von ihm Bekundeten gewann ich die Ueberzeugung, daß die Thatsachen objektiv unrichtig seien. Ich habe eingehende Untersuchungen angestellt, ob es möglich war, daß durch das bloße Herauslangen eines Armes ein Kind, in der vor Mölders beschriebenen Weise, in das Buschhoff’sche Haus hineingezogen werden konnte. Ich habe festgestellt, daß dies fast unausführbar sei. Der Zeuge demonstrirt dies den Geschworenen an der Saalthür.
Lehrer an der Clever Landwirthschaftsschule, Dr. Kögel bekundet: Die Kaff (Spreu), die in dem Sack vorgefunden wurde, sei wesentlich verschieden von der in der Hand des Ermordeten vorgefundenen. Es seien ganz charakteristische
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)