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Der Morgen graute, der Regierungsrath
Sitzt schon bei seinen Geschäften,
Ist ausgerüstet für Kirch' und Staat
Mit frisch erneuten Kräften.
Und schreibet einen neuen Bericht.
Er sitzet und sitzet in den Akten tief.
Hat Weib und Kinder vergessen.
Und hätte, wenn ihm die Frau nicht noch rief.
Er setzt sich zu Weib und Kindern und spricht
Von nichts als von seinem neuesten Bericht.
Der Regierungsrath nimmt kaum sich die Zeit,
Mit Ruhe das Mahl zu verzehren.
Zurück an die Arbeit kehren.
Zwar hat er gegessen, doch weiß er es nicht.
Er dachte nur stets an seinen Bericht.
Der Regierungsrath ist geladen zum Thee,
Gern kann er auf Ball und Assemblée,
Concert und Theater verzichten.
Die Welt hat so große Genüsse doch nicht.
Als ihm gewährt ein guter Bericht.
Sind ewiglich treu verbunden.
Beneidenswerthestes Menschenloos!
O selig verlebte Stunden!
Und wenn ihm endlich das Herz nun bricht,
„Verehrtester Herr Collega! Rehmen Sie gefälligst die eben erschienene Nummer der fliegenden Blätter in Augenschein. Wie ist es möglich, daß die Censur so etwas hat passiren lassen können!? Mir um so unbegreiflicher, da der ganze ehrenwerthe Stand der k. Staatsdiener persiflirt, respective in specie lächerlich gemacht werden zu wollen scheinen dürfte! Was sagen der verehrliche Herr Collega dazu?"
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/139&oldid=- (Version vom 26.10.2021)