lallender Zunge bat er um Entschuldigung wegen der Anmassung und Frechheit, sich ungeheißen auf einen Stuhl niederzulassen.
„Hergesessen!“ riefen die Herren insgesammt; „hergesessen an unsern Tisch, du altes Haus und sei fidel! Iß und trink und laß dir wohl sein; ein Dichter ist aller Orten willkommen.“
„Wie? was?“ fuhr einer auf; „der Dichter stirbt! Lugete Veneres Cupidinesque! Der Dichter stirbt! Hilf, Apollo! hilf!“ - „Bier her! Der Dichter braucht Medizin; Stärkungsmittel, Tinkturen und Mixturen her! - ein solches Leben muß unserm Zeitalter erhalten werden.“
So lärmten Alle durch einander und betrachteten den Poeten von allen Seiten, und überzeugten sich nunmehr, daß eine wirkliche Ohnmacht die Lebensgeister in Fesseln geschlagen hatte. Verschiedene Berathungen, was zu thun wäre, erfolgten; die einen wollten ihn unter die Pforte setzen, wo die kalte frische Luft ihn wieder zu sich bringen würde; die andern glaubten, es dürfte wohl am besten sein, wenn man ihn in ein Bett schaffte.
„Nichts da!“ schrie der lange Hans; „man nehme die Biertaufe mit ihm vor, und wenn diese nicht wirkt, so bedarf der arme Bursche des Küsters und Todtengräbers.“
Gesagt, gethan; man rückte den Stuhl, in dem Thomas regungslos lehnte, mitten in die Stube, und begoß des Dichters Haupt mit einem Strome von Bier; doch die Biertaufe war nicht ohne Nutzen. Der Dichter wurde munter, wischte sich mit dem Frackärmel das herabfließende Bier aus den Augen, und blickte scheu um sich, während er voll Verwunderung mit der Hand sein nasses Haupt befühlte und betastete. Das muß Schweiß sein, dachte er im ersten Augenblicke; aber die tolle Freude der um ihn beschäftigten Hilfeleistenden riß ihn bald von seiner gefaßten Meinung weg. Mit zierlich gestellten Worten dankte er, und bat um Entschuldigung wegen der unwillkommenen Störung; die tollen Menschen merkten aber nicht auf seine Worte und schleppten den Todtmüden an den Tisch, pflanzten einen Steinkrug vor ihn hin mit einem Teller voll Käs, Häring und dergleichen Leckerbissen, und zwangen ihn unaufhörlich zum Trinken. Das Bier floß wie Nektar durch die vertrocknete Kehle, der Käs und die Häringe deuchten ihm Ambrosia und Honig von Hybla oder vom Hymettus.
Eine gewaltige Pfeife streute um ihn ihre Düfte, und hüllte den Sänger in ein wolkiges Heiligthum trotz der übrigen Herren.
„An der Gränze gereifterer Jugend angelangt, möchte es nicht auffallen, wenn sich die bewegte Seele nach einem zarten Gegenstande inniger Vereinigung hingezogen fühlt.“
Ein ganz brauchbares Individuum von guter Familie; nur dürfte es kaum gerechtfertigt werden können, dasselbe für complicirtere Fälle in Anspruch nehmen zu wollen.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/129&oldid=- (Version vom 1.9.2023)