dem Matteo ein anderer Mensch geworden zu seyn. Habt ihr jemals eine tollere Geschichte gehört? Er sagt geradezu, daß er ein gewißer dicker Bildner sei, der seine Werkstätte dicht hinter San Giovanni und sein Haus bei Santa Maria del Fiore hat. Die Dummheit können wir ihm mit aller Gewalt nicht aus dem Kopfe ziehen. Wir haben ihn nun aus dem Gefängnisse befreit und nach Hause geführt, wo er für sich in einer Stube sitzt, damit er seine Narrheiten nicht weiter unter die Leute bringen kann; denn ihr wißt wohl, wer einmal aus diesem Horne geblasen hat, mag hernach den schönsten Verstand von der Welt zeigen, so viel er will, er wird immer gefoppt. Wir wollten euch also bitten, aus Erbarmen mit nach unserm Hause zu kommen und zu versuchen, ob ihr ihm vielleicht seine Einbildungen aus dem Sinne bringt. Wir würden euch zeitlebens dafür dankbar sein. Der dienstfertige Priester erwiederte, er wolle sehr gern kommen, und wenn er mit dem Kranken gesprochen habe, bald sehen, was noch in der Sache zu hoffen stehe. Er werde ihm so viel und auf so eindringliche Art zureden, daß er wo möglich wieder zur Vernunft zu bringen sei.
Er machte sich mit dem Bittsteller sofort nach dem Hause der Brüder auf den Weg, und wie er daselbst angelangt war, trat er in die Stube, worinnen der Dicke ganz in seinen Gedanken vertieft saß. Der Dicke stand beim Anblick des Priesters auf, der zu ihm sagte: Guten Abend, Matteo. Der Dicke erwiederte: Guten Abend und gute Zeit, was wollt ihr von mir? Worauf der Priester weiter redete: Ich bin gekommen, um ein wenig bei dir zu bleiben. Er nahm einen Stuhl, setzte sich und sagte: Setz dich an meine Seite her und laß ein paar Worte mit dir reden. Der Dicke setzte sich ihm gehorsam zur Seite nieder, und der Priester fuhr fort: Ich bin hieher gekommen Matteo, weil ich mir habe eine Sache erzählen lassen, die mir ganz und gar mißfällt. Wie ich nämlich höre, hatte man dich dieser Tage Schulden halber auf das Handelsgericht gesetzt, und nun will verlauten: du seist darüber in solche Schwermuth gefallen, daß du drauf und dran, ein Narr zu werden, bist. Unter andern Albernheiten, die man dir Schuld gibt, sollst du denn auch der Grille fröhnen, daß du behauptest, du seist nicht mehr der Matteo, sondern durchaus ein Anderer, der der Dicke heißt und seines Gewerbes ein Bildner ist. Du bist ganz gewiß sehr zu tadeln, mein Freund, daß du, um einer kleinen Widerwärtigkeit willen, einen so großen Schmerz in deinem Herzen empfindest, der dich in den Verdacht bringt, nicht recht bei dir zu sein, und daß du, was dir nicht eben zur Ehre gereicht, durch deine übertriebene Hartnäckigkeit dich zum Gespötte der Menschen machst. In Wahrheit, Matteo, ich wünsche sehr, du ließest davon ab, und bitte dich, daß du mir, aus Liebe zu mir, versprichst, von diesem Augenblick an deine Narrheit aufzugeben, und dich zu befleißigen, nach wie vor an deine Arbeit zu gehen, wie es einem rechtschaffenen Manne geziemt, und wie alle andre Menschen thun. Diese deine Brüder würden sich recht innig darüber freuen. Erführe die Welt, daß du von Sinnen gewesen bist, man würde dich immer für verrückt halten, wärest du nachher auch der Allervernünftigste, und du bliebest so und so ein verlorener Mensch. Bedenke dieß daher wohl, entschließe dich, ein Mensch und keine Bestie zu sein, und schüttle die Albernheiten von dir ab. Was schiert es dich, ein Dicker oder kein Dicker zu sein? Folge meinem guten Rathe. der ich dein Bestes will. Er sah ihn freundlich bei diesen Worten in's Gesicht und klopfte ihm mit der Hand auf die Schulter. Der Dicke hatte schweigend den liebevollen Ermahnungen des Priesters zugehört, dessen eindringliche Rede ihn bewog, nicht im geringsten mehr zu zweifeln, daß er Matteo sei. Er erwiederte ohne anzustehen, daß er entschlossen sei, von Allem, was man ihm gerathen habe, so viel zu thun, als seine Kräfte gestatteten, weil er sich gern überzeugen und einreden wolle, man habe ihm das Alles nur um seines Besten willen gesagt. Und er versprach, er wolle sich von Stunde an auf das ernstlichste bestreben, nie wieder zu meinen, daß er ein Anderer als Matteo sei, der er denn wohl auch in der That sein müsse, habe sich nicht alle Welt vor ihm auf den Kopf gestellt. Er verlange, wenn es irgend möglich sei, nur eine Gunst, und zwar keine andere, als daß ihm erlaubt werde, mit jenem Dicken zu sprechen, um seinen Irrthum einzusehen. Der Priester entgegnete: Dieß könnte deinem Zustande nur nachtheilig sein, und ich sehe leider, daß du dir die Narrheiten noch nicht aus dem Sinne geschlagen hast. Was kann es dir helfen, wenn du mit dem Dicken sprichst? Was hast du mit dem Dicken zu thun? Je mehr du von dem Dicken sprichst und mit je mehr Menschen, desto mehr machst du deine Dummheit selber bekannt, und desto schlimmer und gefährlicher wird es mit dir. Er sagte ihm noch so viele Dinge, daß er ihn endlich beschwichtigte, und der Dicke sich zufrieden gab, den Dicken nicht zu sehen. Der Priester nahm Abschied, und erzählte den Brüdern, die sich vorher bei seiner Ankunft entfernt hatten, den ganzen Hergang des Gesprächs, und die Zusicherungen, die der Dicke gethan habe, worauf er von ihnen in seine Kirche ging.
Mittlerweile, während der Priester den Dicken vernahm, war Filippo di Ser Brunellesco heimlich herbei geschlichen und hatte sich von den Brüdern, in einem entfernten Zimmer, unter vielem Gelächter, wieder erzählen lassen: wie der Dicke aus dem Gefängniß gebracht worden war, was
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)