Farrenkräuter und Sumpfblumen, und die gelben Wasserlilien schwankten ob den glänzenden Wogen; durch den Bruch in der Eisdecke über ihm leuchteten die Sternlein herein, und spiegelten sich im thauigen Moore. – Nach manchem vergeblichen Versuche fand es Nils unmöglich, die Felsenwände zu erklimmen, und suchte einen andern Ausweg aus der Tiefe. So ging er denn die Schlucht entlang. Mit jedem Schritte aber, den er vorwärts machte, erweiterte sich der Thalgrund. Wie graue Schatten wichen an beiden Seiten die Wände zurück; ein eigener, warmer Glanz zitterte durch’s Geäste der zerstreuten Föhren und Kiefern. Je weiter er vordrang, desto mehr däuchte es ihm, als ginge er geraden Weges dem Frühlinge entgegen. Blümlein, wie im Mai, dufteten auf zu ihm aus dem hohen Moose, frischgrünende junge Fichten streuten ihren würzigen Geruch aus, und ein warmer Hauch spielte in seinen Haaren. Er wußte nicht, wie ihm geschah: da vernahm er näher und näher ein seltsames, wunderbares Getön von Harfen und Geigen. Hinter den Föhrenstämmen sich haltend, drang er behutsam vorwärts, dem Glanze entgegen, der durch’s Gezweige flimmerte. Da sah er durch die Lücken des Gebüsches, wie der Thalgrund allmählig sich öffnete zu einem weiten Halbkreise, umhegt von goldadrigen Felsen. In den Steinwänden drinn glitzerte und schimmerte es wie von gegossenem Krystalle; eine hohe, schlanke, durchsichtige Säulenreihe trug das Gewände, welches wiederstrahlte vom Glaste des Erzes und Edelgesteins. Prunkende Säulen nach allen Seiten, mit Kränzen von Bergrosen geschmückt, verloren sich in der Tiefe des Felsens. Aus dem Grunde drang ein wundersames Licht, welches Sterne und farbige, feurige Garben ausgoß wie ein Springquell, so übermächtig strahlend und leuchtend, man hätte den Glanz eines Lenzmorgens für Dämmerung dagegen halten mögen. Im thauigen Wiesgrunde aber, der sich davor ausdehnte, spiegelte sich das Bild des Feenbaues, wie in einem stillen, grünen See; d'rauf tanzten die Elfen ihren Reigen. In lieblichen Windungen bewegte sich der schöne Chor um die Königin, die in der Mitte auf einem Mooshügel saß, und wo ihre Füße den Rasen berührten, gingen Blümlein auf, und bildeten die duftigen Elfenringe. Ein Theil der Mädchen saß im Vorgrunde, schlug die Goldharfen, und sang ergreifende Weisen dazu. –
Nils gedachte zu träumen. Was er sah und hörte, berauschte ihn, wie junger Most. Mit klopfendem Herzen drang er vor bis an den Saum des Kreises, wo ihn das junge Lerchenholz vor den Blicken der Elfen verbarg. Eine gute Weile hatte er gelauscht, als die Zauberlieder leise verhallten und ein leichter Nebel sich von der Felswand niedersenkte. Es schwamm vor seinen Blicken. Da lehnte er sich an einen Lerchenstamm, und die Augen fielen ihm zu.
Groß Feuer löscht des Wassers Fluth,
So auch den brennenden Brand;
Doch wer ist's, der die heiße Gluth
Der Liebe dämpfen kann?
„Axel und Waldborg.“
Eine weiche Hand strich Nils über die Stirne. Es kam ihm vor, als erwache er vom Traume, und als er die Augen aufschlug, hielt er sich wie geblendet die Hände vor. Hatte doch noch nie solch ein Blick dem seinigen begegnet. Das Elfenmädchen aber, das vor ihm stand, hielt ihn gar freundlich bittend zurück, als ihm ein leiser Schauer überkam, und er der gefeieten Stelle entfliehen wollte, eingedenk der unheimlichen Mährchen, welche ihm der Vater erzählte. Lächelnd bat sie ihn zu bleiben. Ein warmer Hauch wehete von ihren Lippen; die Hand, welche ihn hielt, fühlte sich so weich
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)