Sklaven, welcher bald als zum Serail gehörig, erkannt wurde. Im Krankenhause geheilt, ward dieser durch Drohungen und Versprechungen zu Geständnissen vermocht, die sowohl über Philipps schnell erworbenes Vermögen, als auch über sein plötzliches Verschwinden ein furchtbares Licht verbreiteten. Der Schwarze sagte nämlich aus: er selbst, so wie mehrere seiner Genossen hätten seit längerer Zeit mit dem fränkischen Kaufmanne in Verkehr gestanden, und demselben eine Menge kostbarer Gegenstände, welche sie nach und nach aus dem Serail entwandt, zu geringen Preisen überlassen. Zuletzt war es dem Neger gelungen, eines Diamanten von nie gesehener Größe habhaft zu werden. Weil er aber eine Entdeckung fürchtete, so wollte er den Edelstein nur unter der Bedingung an Philipp abtreten, daß dieser auf einem eben segelfertigen Schiffe die Stadt augenblicklich verlassen, ihn mitnehmen, und den Erlös des ungerechten Gutes in Frankreich mit ihm theilen solle. Der Franzose hatte lange gezaudert und unterhandelt, dann aber, das Kleinod an sich nehmend, plötzlich nach einem Pistol gegriffen und den Sklaven durch einen Schuß zu Boden gestreckt. Weiter wußte dieser nichts zu bekennen. Wir dürfen indeß wohl mit Wahrscheinlichkeit schließen, daß Philipp, da er den Schwarzen nur verwundet sah, theils aus Scheu, den begonnenen Mord eigenhändig zu vollenden, theils um sein Entweichen in ein undurchdringliches Geheimniß zu hüllen, sein Haus selbst angezündet habe. Wer aber möchte an seiner Stelle gewesen seyn, als er, durch Flammen und Nacht dahin fahrend, den kalten glänzenden Stein mit so viel Jammer erkauft sah, als die Braut vor seinen Augen versank bei dem Leuchten der schrecklichen Hochzeitsfackel, die er angefacht!“
„Kurze Zeit nach jenen Ereignissen,“ erzählte Angelo weiter, „kam ich nach Marseille, wohin die Helene, (so hieß die Goëlette, auf welcher Philipp entfloh) bestimmt gewesen war, und erkundigte mich dort nach ihrer Ankunft. Gescheitert im Angesichte des Hafens und untergegangen mit Mann und Maus, gab man mir zur Antwort, nur ein einziger Passagier war gerettet worden. Ich forschte nach, es konnte Niemand gewesen seyn, als Philipp. Die heimathliche Erde hatte das Schiff zurückgestoßen, das den Schuldbeladenen trug; aber auch das Meer wollte nichts mit ihm zu schaffen haben und warf ihn aus. Halbtodt wurde er des Morgens am Felsenufer von Fischern gefunden, die sich mitleidig seiner annahmen, und nach manchen Bemühungen ihn endlich zum Bewußtseyn brachten. Seine erste Bewegung war ein Griff nach dem Ledergurte, den er über den Hüften trug und in welchem er den Edelstein verborgen hatte. In ärmlichen Kleidern, die er von seinen Rettern entlehnte, machte er sich, nachdem er schnell zu Kräften gelangte, auf den Weg in die Stadt und begab sich dort zu einem Juwelier, den er bat, sein Kleinod zu schätzen. Dieser bewunderte die Größe und Reinheit des Diamanten und erklärte mit leuchtendem Auge den Werth anfangs für unberechenbar – dann betrachtete, prüfte und wog er ihn genauer, lächelte seltsam und gab ihn endlich Philipp mit den Worten zurück: „Es wundert mich nicht, daß ihr euch täuschen ließet, mein Freund; wäre doch mir beinahe das Gleiche wiederfahren. Was Kunst vermag, ward hier geleistet; aber euer Diamant ist und bleibt dennoch nicht mehr und nicht weniger, als ein wunderbar geschliffenes Stück Bergkrystall.“
Philipp nahm den Stein und ging. Am folgenden Tage fand man seinen Leichnam zerschellt unter einer Klippe.
Hier schwieg Angelo. Es war spät geworden. Wir verabschiedeten uns und traten den Heimweg an. Er führte uns bei den Trümmern des genuesischen Hauses vorüber, die der spät ausgegangene Mond beschien. Drinnen regte sich’s im Schutte und rauschte durch’s Gestrüpp; die Vögel der Nacht hatten ihren Wohnsitz dort aufgeschlagen.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/152&oldid=- (Version vom 7.1.2019)