dürfe, ohne dass ein Examen verlangt wird. Wir wollen die Frage unbedingt bejahen, aber auf die Fälle beschränken, in denen ein schon reiferer Mann in Amt und Würden eine achtungswerthe litterarische Leistung aufzuweisen hat. In kleineren deutschen Ländern ist aber auch hier stellenweise eine andre Praxis üblich geworden. Dort, wo Universitätsangelegenheiten gewöhnlich als Familienangelegenheiten behandelt werden, in denen die angesehensten oder bei der Regierung einflussreichsten Familien des Landes (in denen das blaue Blut des Vollblutprofessorenthums erblich ist) die Verwaltung ausüben und ihre Wünsche, nicht selten gegen die Facultät, durchzusetzen pflegen, mit einem Wort, dort, wo die Vetterleswirthschaft in akademischen Angelegenheiten seit Jahrhunderten etwas Traditionelles ist, kommt es leicht vor, dass in einem Semester der Ordinarius A. seinem Freund den Doctorgrad verschafft, im zweiten der Ordinarius B., im dritten C. In keinem Fall ist von einer wirklichen litterarischen Leistung die Rede. Oftmals müssen Schulbücher oder dürftige Vorträge, die aus grösseren Werken excerpirt sind, den Vorwand zur Auszeichnung liefern. Auch hier dürfte es sich empfehlen, solche Fälle, die eine Ungerechtigkeit gegen alle anders behandelten Candidaten einschliessen, an die Oeffentlichkeit zu bringen, da nur die von den Facultäten nicht ohne Grund so gefürchtete und verabscheute Oeffentlichkeit im Stande ist, jenem Schlendrian,
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/050&oldid=- (Version vom 18.8.2016)