Mannes zu lesen, der eben seine Sporen in einem kleinen Zweig der Wissenschaft verdienen will und nun, wie ein kleiner Roland, anficht gegen ältere und erfahrenere Gelehrte und ihnen Grobheiten sagt, wie er sie von seinem verehrten Lehrer in der Vorlesung gehört hat. In der That ist der Ton in solchen Arbeiten bisweilen in hohem Grade beklagenswerth, und die jungen Leute, die zu diesem oder jenem Freund sich brüsten, den oder jenen Professor gehörig abgetrumpft zu haben, ahnen gewöhnlich nicht, wie überaus lächerlich die Wirkung dieser Aggressivität bei dem Gegenstand ihres Zornes sei, und wissen nicht, welchen Angriffen sie ausgesetzt sein würden, wenn sie losgelöst von den Gedanken und dem Einfluss ihres Lehrers später einmal selbständig in der Wissenschaft weiter arbeiten sollten. Wüssten sie das, so würden sie sich in ihrer Erstlingsarbeit der grössten Bescheidenheit befleissigen, eingedenk des Spruches, dass Bescheidenheit die Jugend ziere, und dass es aus einem Wald heraustöne, wie man hineinschreit. Es ist bedauerlich, sagen zu müssen, dass ein sehr grosser Theil deutscher Jugendarbeiten einen unehrerbietigen, unangemessenen und anmessenden Ton gegen ältere Vertreter der Wissenschaft aufweist.
Jene Misshandlung seitens der Professoren hat aber noch eine zweite unangenehme Consequenz. In früheren Zeiten absolvirte der Student weit häufiger sein Studium auf einer einzigen Hochschule.
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/016&oldid=- (Version vom 17.8.2016)