Kuh auf fetter, oder eine fette Kuh auf magerer Weide; da schlich eine Ziege tiefsinnig durch die schauerliche Stille der Einöde, da ragte aus dem Abgrund eine schmale Klippe empor und auf derselben stand eine Gemse, mit Füßen, zusammengeschoben wie die eines in Ruhe gesetzten Feldsessels.
So oft Theklas Zeichenmeister erschien, hatte sie ihm ein eben fertig gewordenes Werk vorzuweisen. Herr Krämer warf sich in einen Fauteuil, der Staffelei gegenüber, spreizte die Beine auseinander, stützte die Ellbogen auf seine Schenkel und verschränkte die Hände. „Damit ich sie nicht über dem Kopf zusammenschlagen kann –,“ sagte er, blickte zuerst zu Thekla und dann zu dem neuentstandenen Kunstwerk empor und fuhr fort, während es gar sonderbar in seinem Gesichte zuckte: „Schau, schau unser Comtesserl! … Aber was macht denn die Bank mitten auf der „Straßen“? Ja so, ein Pferd ist’s … Aha! – Also nur fort so – das heißt: ganz anders … ich mein’ halt nur in der Ausdauer. Geduld überwindet Sauerkraut.“
Madame Dumesnil warf ihm einen indignirten Blick zu, Thekla jedoch nahm Palette und Malerstock zur Hand und machte sich mit glühendem Eifer an die Arbeit. Krämer spaßte die ganze Stunde hindurch, ergriff manchmal einen Pinsel, und über die Schulter seiner Jüngerin hinweg verwischte er die Hälfte des Bildes, an dem sie sich mit so großer Emsigkeit abmühte. Sie nahm es nicht übel, erhob keine Einsprache,
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/309&oldid=- (Version vom 31.7.2018)