Gouvernante ihrer Tochter, „weil jede Wohlthat mit Undank belohnt wird, und weil wir den leichter verschmerzen, wenn unser Gefühl mit der Handlung, die ihn hervorrief, nichts zu thun hatte.“
„Ah madame, à qui le dites-vous?“ antwortete Madame Zephirine Dumesnil, wie bei jeder Gelegenheit, in welcher ihr der Sinn von Mariannens Reden völlig dunkel blieb.
Madame Dumesnil war eine trockene, auf ihren Vortheil bedachte Französin, die sich gegen Alles in der Welt, sogar gegen ihre Pflegebefohlenen, gleichgültig verhielt. Als aber Thekla heranwuchs, geläufig englisch und französisch sprach, ein brillantes Salonstück mit Sicherheit und Bravour auf dem Klavier vorzutragen verstand, wie ein Dämon zu Pferde saß, wie ein Engel tanzte und „un port de reine“ bekam, da gerieth ihre Erzieherin zu Zeiten in Ausbrüche einer seltsam kalten, jedes Wort sorgsam abwägenden Bewunderung für die junge Dame.
Plötzlich jedoch wurde sie sparsamer mit ihrem Lobe und dafür verschwenderisch mit leisen Warnungen, die sich sammt und sonders auf die Gefahren des Unbestandes bezogen. Die Comtesse, die bisher so manche Stunde des Tages am Klavier zugebracht, hatte nämlich begonnen, ihr musikalisches Talent zu vernachlässigen, und sich mit einer bei ihr ganz unerhörten Leidenschaftlichkeit auf die Malerkunst geworfen. Mit Mühe nur bewog man sie, ihre Staffelei zu verlassen. Freilich bot diese meistens einen interessanten Anblick dar. Da begraste sich eine magere
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/308&oldid=- (Version vom 31.7.2018)