Wöhlers: Schön. Sie werden sich ja auch gesagt haben, daß ich Sie nur unter ganz bestimmten Bedingungen untertützen werde.
Wolfgang (mechanisch): Unter ganz bestimmten Bedingungen. Ja – so etwas mußte ich mir wohl sagen. Also so ohne weiteres würden Sie nicht das Geld hergeben.
Wöhlers (schlägt ein kurzes Gelächter auf).
Wolfgang (schnell, beschämt): Ach nein – entschuldigen Sie – bitte – entschuldigen Sie. Ich dachte nur so – (plötzlich lebhaft und warm) Aber es ist doch Magdalene! Es handelt sich doch um Ihre Tochter!
Wöhlers: Um Ihre Frau, meinen Sie. Allerdings soll man sich keine Frau nehmen, wenn man sie nicht ernähren kann. Aber nach den „neuen“ Begriffen von der Ehe existiert ja wohl diese Verpflichtung nicht.
Wolfgang (ausbrechend, in furchtbarer Wut): Ihr habt mich ja ausgehungert, ihr Hallunken – ihr habt mir mein Brot gestohlen, ihr Gauner – – !
Wöhlers (nach dem Tisch schreitend, auf dem eine Klingel steht): Herr – wenn Sie nicht augenblicklich –
Wolfgang (abwehrend): Nein nein – nein – nein – – verzeihen Sie – ich will Sie ja nicht beleidigen – ich – Sie müssen mich entschuldigen – ich bin seit einiger Zeit – – mein Kopf, wissen Sie – mein Kopf – seh’n Sie – ich bin etwas verwirrt – (läßt sich wieder auf den Stuhl nieder und preßt die Stirn in die Hand. Dann sich zusammenraffend:) Also: Ihre Bedingungen.
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/99&oldid=- (Version vom 31.7.2018)