vor den Tausenden, denen ich zugerufen habe: Es ist niedrig und schändlich, sich gegen seine Überzeugung zu beugen vor den Tyrannen des Gewissens.
Magdalene: Ja, da siehst du’s nun, wohin dein Trotz, deine Hochmut gegen Gott uns gebracht hat. Er wird unser Kind sterben lassen, weil du deinen Nacken nicht beugen kannst.
Wolfgang: Weib! – Magdalene! – Siehst du denn nicht, daß du deinen Gott zur Fratze, zum Popanz machst, wenn du glaubst, er ließe um meiner redlichen Überzeugung willen unsern Richard leiden, wie er gelitten hat? Verstehst du das nicht?
Magdalene: Nein – ich verstehe dich nicht – ich kann dich nicht verstehen, (verzweifelt) ich will dich auch nicht verstehen – ich will nur, daß du thust, um was ich dich flehe, sieh, auf den Knieen flehe: laß unsern Richard taufen, damit er – o barmherziger Himmel – damit er nicht verdammt werde, wenn er denn sterben muß.
Wolfgang (sich verzweiflungsvoll gegen die Stirn schlagend): Verdammt! – Unser Richard verdammt – siehst du, je mehr du so etwas sprichst – desto weniger kann ichs.
Magdalene (heftig): Wie? Du willst nicht?
Wolfgang: Hör mich an, Magdalene! (Mit inniger Treuherzigkeit:) Sag’ mir: bin ich denn ein schlechter Mensch? Bin ich nicht aus allen Kämpfen redlich und rein hervorgegangen? Hab’ ich jemals etwas gethan, dessen ich mich schämen müßte? Hast du denn garkein Vertrauen mehr zu mir!! Komm her – (er faßt ihre Hand.)
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/88&oldid=- (Version vom 31.7.2018)