bist ja so gut, so gut, du thust es, wenn ich dich recht darum bitte –
Wolfgang (kämpfend, die Zähne zusammenpressend): Ich kann nicht –
Magdalene: Du kannst nicht! O Wolfgang! Und was hab’ ich um deinetwillen können müssen! Sieh, alles hab’ ich an deiner Seite erduldet – ich habe Not und Sorgen mit dir geteilt – und ich war es doch wahrhaftig nicht gewohnt – ich hab’ es ertragen müssen, daß die Menschen uns höhnisch ansahen und umzischelten, als wären wir ein zusammengelaufenes Paar – ohne Zucht und Ehre – aber dies, Wolfgang, dies kann ich nicht ertragen. – Du mußt es thun, Wolfgang, du mußt es thun!
Wolfgang (sanft): Du mußt ruhig sein, Mädchen (da Magdalene eine verzweifelte Gebärde macht) ja ja, du mußt ruhig sein. (Mit liebevollem Eifer die Worte suchend:) Sieh, ich – ich will dir ja beweisen, daß ich nicht kann. Sieh – alle beugen sich vor der Kirche – alle fürchten sich vor ihr. Der ungeheure Troß der Unmündigen steht auf ihrer Seite – das ist ja ihre große Gewalt. Und der König leiht ihr zum Überfluß seinen starken Arm. Und gegen diese Priestergewalt, die die Gewissen der Menge in so ganz – so ganz falsche Bahnen lenkt – und die ewig ihre Hand ausstreckt nach der schönen menschlichen Freiheit und die uns demütigt und erniedrigt, gegen diese Gewalt flammt ja in mir ein wilder, nie verlöschender Trotz! Das ist mein ganzer Kampf, Magdalene! Ich würde ja vor Scham in die Erde sinken müssen
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/87&oldid=- (Version vom 31.7.2018)