Conti. Also? mit? mit zu den vorzüglichsten? und den vorzüglichsten unserer Stadt? – Sie spotten meiner, Prinz. Oder Sie sahen, die ganze Zeit, eben so wenig, als Sie hörten.
Der Prinz. Lieber Conti, – (die Augen wieder auf das Bild gerichtet) wie darf unser einer seinen Augen trauen? Eigentlich weiß doch nur allein ein Maler von der Schönheit zu urtheilen.
Conti. Und eines jeden Empfindung sollte erst auf den Ausspruch eines Malers warten? – Ins Kloster mit dem, der es von uns lernen will, was schön ist! Aber das muß ich Ihnen doch als Maler sagen, mein Prinz: eine von den größten Glückseeligkeiten meines Lebens ist es, daß Emilia Galotti mir gesessen. Dieser Kopf, dieses Antlitz, diese Stirn, diese Augen, diese Nase, dieser Mund, dieses Kinn, dieser Hals, diese Brust, dieser Wuchs, dieser ganze Bau, sind, von der Zeit an, mein einziges Studium der weiblichen Schönheit. – Die Schilderey selbst, wovor sie gesessen, hat ihr abwesender Vater bekommen. Aber diese Kopie –
Der Prinz. (der sich schnell gegen ihn kehret) Nun, Conti? ist doch nicht schon versagt?
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)