Claudia. Du gebothest mir ruhig zu seyn; und ich bin ruhig. – Bester Mann, darf auch ich – ich dich bitten –
Odoardo. Was willst du? Bin ich nicht ruhig? Kann man ruhiger seyn, als ich bin? – (sich zwingend) Weiß es Emilia, daß Appiani todt ist?
Claudia. Wissen kann sie es nicht. Aber ich fürchte, daß sie es argwohnet; weil er nicht erscheinet. –
Odoardo. Und sie jammert und winselt –
Claudia. Nicht mehr. – Das ist vorbey: nach ihrer Art, die du kennest. Sie ist die Furchtsamste und Entschlossenste unsers Geschlechts. Ihrer ersten Eindrücke nie mächtig; aber nach der geringsten Ueberlegung, in alles sich findend, auf alles gefaßt. Sie hält den Prinzen in einer Entfernung; sie spricht mit ihm in einem Tone – Mache nur, Odoardo, daß wir wegkommen.
Odoardo. Ich bin zu Pferde. – Was zu thun? – Doch, Madame, Sie fahren ja nach der Stadt zurück?
Orsina. Nicht anders.
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)